Wir starten in der zweiten Gruppe. Um zehn nach sieben rumpeln wir über das Pflaster der Waldenser Straße los. Insgesamt stehen 60 Randonneure auf der Meldeliste von Ingo und Klaus für das 400er am 17. Mai 2014. Ein neuer Rekord für die BB-Randonneure, und ein Beweis für die steigende Attraktivität des Langstreckenradfahrens in Berlin und drumherum.
Ingo schickt mich nach vorn: Du kennst den Track und hast ein gutes Navi! Recht hat er! Ich habe sogar mein brandneues Oregon 650 dabei. Die lästigen Ampeln kann leider auch dieses edle Hightechteil noch nicht in unserem Sinne beeinflussen. Nach gefühlten 100 Stopps sind wir endlich draußen aus dem Stadtverkehr und rollen hinein in den Fläming. Mit Peter, einem der Gründerväter der Berlin-Brandenburg-Randonneure, fahre ich Seite an Seite, und wir reden über Brevets, BER und den Beelitzer Spargel .
Schon stehen wir vor der „Landfleischerei“ Hennickendorf, Streckenkilometer 54,1. Es ist fünf nach neun – dann ist das ein Schnitt von munteren 27 km/h bis hierher. Inclusive Stadtverkehr. Mann, sind wir schnell heute! Ich überrede Peter und Andi, nur ein Brot zwischen die Zähne zu schieben und weiterzufahren.
Neue Gesichter sind dabei dieses Jahr. Der Altersdurchschnitt der Randonneure wird auf diese Weise deutlich gesenkt.
Unsere flotte Marschgeschwindigkeit können wir dank deutlich spürbarem Rückenwind halten. Sonne, ein mildes Lüftchen, top Straßenoberflächen, herrlich grüne Felder und Wälder! Das Baruther Urstromtal zeigt sich von seiner besten Seite.
11 Uhr, 99,6 km – Kontrolle zwei in Golssen.


Wenn das so weitergeht, sind wir vor Mitternacht wieder in Berlin, mutmaßt Andi. Er sollte sich ordentlich verschätzen! Nach einer Futterpause mit scharf gewürzten Bürgern, und nach dem Auffüllen der Trinkvorräte, verlassen wir die Tanke in Golssen.
Der Spreewald empfängt uns in seiner ganzen Schönheit.
Fast wären wir in einem der einladenden Lokale eingekehrt.
Der Wald hält – trügerisch – den stärker werdenden Nordwind ab.
In der Gegend von Tauche und Beeskow bekommen wir dann einen Vorgeschmack von dem, was 150 Kilometer strammer Gegenwind bedeuten für die Entwicklung unserer Durchschnittsgeschwindigkeit.
Beeskow, Kontrolle Nummer drei, 166,2 km, 14.30 Uhr.

Zeit für Knackwurst und ein Malzbier! Noch sind wir zügig unterwegs, aber jetzt ist Schluss mit Lustig. Der Gegenwind beginnt zu blasen.


Im Dörfchen Pillgram mag dann Andi nicht mehr weiterfahren. Sein rechter Fuß schmerzt schon seit geraumer Zeit – vielleicht bringt ein Verschieben der Cleats ein wenig Besserung?!
Ich mache das „Cleat-Tuning“ am liegenden Andi!
Wir finden wieder Anschluss an eine kleine Gruppe, mit der wir Beeskow verlassen hatten. Ja, sind die denn am Schwächeln?! Über einige Kilometer kann ich die Zugmaschine spielen – auch mal ein schönes Gefühl!

Dann, kurz vor Letschin, zwingt diesmal Peter der Schmerz im kaum noch spürbaren rechten Fuß vom Rad.

Passend für Andi, den Eisenbahnfan, halten wir direkt vor dem Letschiner Eisenbahnmuseum.
Unsere Aussicht auf die anfangs hochgerechnete Gesamtzeit schwindet dahin. Aber nach einer Pause steigt die Laune wieder, und wir rollen entpannt nach Kienitz zum Gasthof am Hafen.

Kontrolle Nummer vier. 18.30 Uhr ist es geworden.
Wir treffen auf die Bernauer Leisetreter und auch Hans Müller, der es nochmal allen gezeigt hat, mit seinen 77 Jahren. „Ich bin in seinen Windschatten gefahren“, sagt mir sein halb so alter Begleiter! Hans vertilgt noch ein Stück Kuchen, dann schwingt er sich wieder auf sein Rad. Chapeau!!!
Wir genießen die Gulaschsuppe, das Erdinger und natürlich eine vernünftige Pause!

Der Blick nach Osten verheißt nichts Gutes. Die ersten Regentropfen platschen auf den Asphalt. Im Schutz des Oderdeiches fahren wir mit geruhsamem Tempo nach Norden.

Das Oderbruch zeigt sich von seiner besten Seite: Störche, Wildgänse, Reiher – alle einträchtig auf den Feuchtwiesen versammelt. Die Dämmerung bricht herein und mit ihr auch ein knackiger Regenschauer.

Wir werden erst einmal ordentlich nass, bevor wir einen Unterstand finden, in dem wir unsere Regensachen anlegen können. Jetzt wird es ernst! Wind von vorn, Regen von vorn! Wunderbar!



Wir treffen auf einige Kollegen in mehr oder weniger guter Verfassung. Müdigkeit ist keine Schande!
Ein großer Milchkaffee, ein Salamibaguette, ein Liter Cola als Dope für die letzten 100 Kilometer.
Es fängt wieder an zu regnen. Egal, wir sind im Endanflug nach Berlin. Doch, Vorsicht, erst muss noch Liebenwalde erreicht werden, und ein paar Hügel und Regenschauer warten noch. In Hammer fluchen wir auf die elendige Ortsdurchfahrt, in der das Pflaster herausgerissen wurde und nur noch tiefer Sand und Schotter warten. Grrrrr! Auch das nimmt mal ein Ende. In Liebenwalde, km 357, dann das Starring fürs Foto!

Vor dem Plakat der „Landfleischerei Peter Müller“ ein Kontrollfoto machen, es ist 2 Uhr geworden, die letzten Futterreserven werden verteilt, und dann nichts wie ab nach Berlin!
Der erwartet wuchtig schiebende Rückenwind hat sich schlafen gelegt. So müssen wir noch kräftig in die Pedale treten, bis wir Mühlenbeck und die Stadtgrenze erreichen.
Ausrollen vorm Amstelhouse um 04.25 Uhr. Das Roadbook sagt: 402,2 km. Hier sind wir gestern um 7.10 Uhr gestartet.
Es war wieder einmal eine volle Dosis Radsport und Naturgenuss! Ein Weizen zum Abschluss, und dann noch 17 km im Morgenlicht durch die Stadt fahren – wieder nach Hause. Das Bett ruft!
Und der Fléche Allemagne am 29. Mai!
Hallo Dietmar, schön zu lesen und mit tollen Bildern. Ich war an dem Wochenende auch beim 400er unterwegs (www.swisscyclingmarathon.ch) und musste vor dem heftigen Gegenwind (100 km alleine in der Nacht) kapitulieren. Nach 3/4 der Strecke hab ich aufgehört. Vielleicht fahre ich doch mal im Norden – da ist es wenigstens flacher 😉
Hi Andy, klasse, dass Du so fix unterwegs warst! Wir haben schon mal für den Fléche geübt, und da ist Teamfahren obligatorisch. So habe ich etwas mehr vom Wind und Regen gehabt. Bis zum 600er dann.
Hi Dietmar, wieder mal ein schöner Bericht. Schade was man sich nicht weiter gesehen hat, aber gerade zu Beginn war die erste Gruppe doch sehr flott unterwegs, so daß wir schnell an der ersten Kontrolle waren, wo sich die Leute dann entsprechend fürs schnell Weiterfahren oder Mettbrötchen entschieden haben. Letzteres fand ich dann besser, passende Gruppen fanden sich, mit denen man gut vorankam. Bis auf leichten Niesel hatten wir immer ziemliches Glück mit dem Regen, entweder gerade weg, geschützt in der Kontrollstelle oder im Rücken, so daß wir um 2 Uhr trocken in Moabit eintrudelten.
Beste Grüße und bis zur nächsten Fahrt,
Andy
Hi Rainer, der Klaus ist schon ein ganz besonderes Exemplar von Randonneur! Immer wieder erstaunlich! Kommt gut zur Wartburg! Wir sehen uns.
all the best
Dietmar
Hallo Dietmar,
schönen Dank für den netten Bericht. Ich freue mich immer wieder auf Deine Schilderungen – sehr erfrischend.
Ja, der Wind war schon zermürbend. Vor Seelow musste ich die erste Gruppe und dann auch Klaus E. ziehen lassen (!!!).
Aber ab Angermünde hatten wir dann noch etwas von dem noch nicht eingeschlafenen Rückenwind abbekommen. Noch etwas Regen in der letzten Stunde vor Berlin und ich war mit 3 weiteren Fahrern noch am Samstag wieder im Amstel House. Aber wir sind ja auch früher (erste Gruppe) gestartet 🙂
Wir sehen und spätestens auf der Wartburg. Ich wünshe Euch eine gute Fahrt.
Gruß rainer