Peter ist in Crailsheim aufgewachsen. Und so weiß er zu berichten, dass es dort ein berühmtes Volksfest gibt. Wir beschließen, das Croix de fer und mein neues Endurace zu satteln und in drei Genussetappen von Berlin ins Hohenloher Land zu reiten. Endlich soll das Endurace zeigen, was es auf langer Strecke kann – in voller Marschausstattung. Und Peter und ich werden reintreten müssen – schließlich müssen wir quer über den Thüringer Rennsteig klettern.



Es soll keine Brevet-(tor) tour werden, Natur und Kultur wollen wir auf dieser Strecke erleben! So entscheiden wir uns, den Prolog mit der Bahn zu erledigen! Berlin bis Leipzig. Hier starten wir nach einem Frühstücksbaguette und einem Milchkaffee bei bestem Wetter. Leipzig ist definitiv keine Fahrradstadt! Straßenbahnschienen, Kopfsteinpflaster, fiese Baustellen – endlich sind wir in den Außenbezirken und finden auf den Elsterradweg. Feiner Schotter, grober Schotter, aber immer die Elster im Blick! Wirklich schön rollt es dann am Cospudener See entlang, einem ehemaligen Braunkohlentagebau, der zu einem riesigen See geflutet wurde.

Durch die Elsterauen geht es flott über Köstritz mit seiner Brauerei nach Gera. Der Hunger fängt an, uns zu plagen. So steigen wir am Geraer Mohrenplatz von Endurace und Croix de fer und gönnen uns Kaffee und Kuchen. Ein herrliches Plätzchen haben wir gefunden:
Auf der Elsterbrücke stehen Tische und Sonnenschirme, der Blick schweift zum Otto Dix-Haus hinüber. Der Maler wurde hier 1891 geboren. Bekannte Radsportler wie Olaf Ludwig, Jens Heppner und John Degenkolb kommen aus Gera! Das motiviert uns, nach der Pause zügig in die ersten Hügel der Tagesetappe hineinzukurbeln.
Schluß mit Lustig! Ab jetzt wird gearbeitet im Sattel!

Durch Orte mit so wundersamen Namen wie „Lederhose“, arbeiten wir uns über Schleiz und Gräfenwarth bis Saalburg am „Thüringer Meer“. Hier hat Peter das Hotel „Kranich“ ausgemacht, direkt an der Talsperrenbrücke gelegen, die den größten Stausee Deutschlands überspannt. Ganze 28 km ist der See lang. Seltsamerweise müssen wir nach dem wirklichen Namen „Bleilochtalsperre“lange suchen. Wir nennen den See einfach „Größter“, Nachname Stausee!

Im Hotel Kranich finden Endurace und Croix de fer ein beschauliches und sicheres Plätzchen für die Nacht im Klimbimlädchen des Hotels – zwischen Postkarten, Bierkrügen und anderen netten Andenken. Der leicht burschikos auftretende Wirt bringt uns zuverlässig „immer noch ein Weizenbier“. Die Qualität der Speisen ist, wie wir bemerken: „verbesserungsfähig!“ Den Wirt stört das nicht. Was er nicht hören will, hört er eben nicht!
Am nächsten Morgen schickt er uns mit einem zünftigen: „Männer, dann strengt euch mal an!“ auf die Reise.

Heute ruft der Thüringer Wald mit seinen Höhen! Der Rennsteig will bezwungen werden! Endlich kann das Endurace mit seinen 7 kg netto plus 6 kg Gepäck plus Fahrer plus 1 kg Lampe, Pumpe, Werkzeug, seine Vorteile beim Höhenmeter machen ausspielen! Einige muntere zweistellige Steigungsprozente fordern uns. Rauf ist das Endurace deutlich vorn, runter bei Minus 14% fühlt sich das Croix de fer in seinem Element. Kopfsteinpflaster mag das Stahlgerät mit den 32er Reifen einen Tick lieber als der Carbon-Komfortbrummer. Und der Geradeauslauf bei schnellen Abfahrten ist Spitzenklasse beim Endurace. Es will immer noch schneller und wird nur durch meine Vernunft gebremst! Bei der idealen Gewichtsverteilung mit Viscacha hinten und Bikepack-Barbag vorn rollt es auch bei 65 km/h wie auf Schienen. Nur die Bremsbeläge der Campa-Bremsen jaulen beim Anbremsen wie ein getretener Hund. Das tut der guten Wirkung aber keinen Abbruch!


Meine Kompaktkurbel 50/34 mit dem Ritzelpaket 12-27 funktionieren bei max 12% Steigung optimal. Peter freut sich bei seinem ca. 25 kg höheren „Systemgewicht“ über seine Ultegra 3-fach Kurbel!



Mittags ist der Rennsteig geknackt, und wir rauschen durch das Rodachtal runter nach Kronach in Oberfranken. Am Jakobsweg „Kronach-Lichtenfels“ entlang kommen wir in Redwitz in der Rodach an, wo unsere Intuition uns direkt zu einem zünftigen Metzgerimbiß mit herrlich schmeckenden Bratwürsten lenkt.




Die Rodach leitet uns schließlich nach Bamberg, wo wir uns mutig ins Touristengetümmel der Altstadt werfen. Auf dem Platz vor dem altehrwürdigen Dominikanerbau gönnen wir uns Obatzd´n und Nürnberger Würstl mit Kraut. Dazu ein Weizenbier. Das hebt unsere Moral und bringt uns die notwendige Energie, um den Tagesendspurt nach Höchstadt in Angriff zu nehmen. Ganz in der Nähe checken wir im Landgasthof Scheubel ein. Peter genießt sein „Schäufele“ und ich mein Wiener Schnitzel. Der Koch kann es! Satt und zufrieden fallen wir um 23 Uhr in die Betten.
Samstag: Letzte Etappe nach Crailsheim! 110 Kilometer im Schongang! Erste Pause im Fränkischen Freilandmuseum bei Bad Windsheim. Natur und Kultur! Hier bekommen wir wieder eine ordentliche Dosis davon. Und Kuchen und Kaffee und Peter seine Wurst.

Unsere Garmins zeigen nördlich von Rothenburg eine nette Abkürzungsmäglichkeit, die sich als steiler, schmieriger Waldweg rauf auf 500 Meter Höhe erweist. Schwitzend und mit drei bis sieben Mückenstichen auf Armen und Beinen rollen wir irgendwann erleichtert raus aus dem Wald auf Rothenburg zu. Diese nette Stadt verschmähen wir heute. Bamberg war uns Touri-Rummel genug! Schon um vier rollen wir in Crailsheim ein. Ab jetzt wird es sehr sehr anstrengend: Wir landen per Zufall auf dem Geburtstagsfest eines alten Freundes von Peter. Wieder mal Weizenbier, Wurst und für mich Kuchen. Und abends dann aufs Volksfest mit Peters Freunden, bei denen wir auch übernachten können… Croix de fer und Endurace ruhen sich jetzt ersteinmal in Ralfs Garage von den Strapazen der Fahrt aus! Gut gemacht, ihr beiden!
Epilog: Das Drais-Laufradrennen beim Volksfest
Ein paar Impressionen:






Der Sieger des Tages benötigt für die 3,5 Kilometer auf glitschig nassen Straßen gerade einmal 6:30 Minuten. Macht locker mehr als 30 km/h Durchschnitt! Wenn das der alte Freiherr von Drais geahnt hätte!

Epilog vom Epilog:
