Das 300er Brevet – Sonne pur!

13 Stunden Sonne, 22 Grad, ein laues bis frisches Lüftchen, so sieht die Wettervorhersage für den 21. April aus. Und so wird das Wetter auch. Zur Freude der ca. 100 Randonneure und Randonneurinnen, die sich schon um vor sechs Uhr im Amstelhouse in Berlin-Moabit eingefunden haben. Oldies, Youngsters, Speedsters… alle Kategorien sind stark vertreten.

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Rafal und Andy sind wie immer zu Späßen aufgelegt
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Gerald hat es heute wieder einmal eilig. 35,4 km/h in Bewegung resummiert STRAVA am Abend für ihn. Chapeau! Brevets sind zwar keine Rennen, aber es ist schön, wenn jemand so souverän und schnell unterwegs ist ( gemeinsam mit Tom)

Auch vor dem Start wird schon geflickt – In diesem Fall ein schlechtes Omen – nach 120 Kilometern sehen wir den Kollegen wieder, diesmal flickend am Wegesrand. 30425321_10155789892990432_5294638898529482_o

Wolfgang und ich starten in der zweiten Gruppe um 7.10 Uhr Beim Ampelhopping nach Süden, hinaus aus der großen Stadt, wird gequatscht, wird erzählt was die Vorhaben für das Jahr sind und auch, welche Heldentaten 2017 vollbracht wurden.

In Stahnsdorf beträgt unser Schnitt gerade einmal 22,5  km/h. Doch das sollte sich rasch zum Schnelleren hin ändern. Der Wind schiebt sanft aber spürbar aus Nordwest, und der Speed unserer Gruppe mit Rainer an meiner Seite pendelt immer um die 30-35 km/h. Die Tankstelle in Trebbin erreichen wir schon um 8.45 Uhr. Stempeln und sofort wieder aufsitzen. Zwei- dreimal müssen wir eine typische Flämingwelle wegdrücken, dafür geht es nach Dahme hin schön abwärts mit 35-40 km/h.fullsizeoutput_3d20 Kontrolle Nr. 2 ist „frei“, das bedeutet, wir müssen uns den Stempel irgendwo in diesem Ort holen. Gar nicht so leicht dieses Mal, denn die Durchgangsstraße ist auf ganzer Breite aufgerissen, die Geschäfte darben, und der Bäcker, den wir zum Stempeln heimsuchen, bietet die spärlichste Auswahl von Brot und Kuchen, die ich jemals gesehen habe. OLYMPUS DIGITAL CAMERADie beworbenen Kuchenbrötchen sehen erbärmlich aus – ich ziehe es vor, mein mitgebrachtes Käsebrötchen zu verspeisen.fullsizeoutput_3cdf

Ab jetzt ist Gegenwind angesagt: Bis  Oehna sind es ca. 35 km. Um 12.20 Uhr rollen wir in den Innenhof des Landgasthofs Witte ein. Fast alle Plätze im Biergarten sind schon mit Randonneuren besetzt.

Spaghettigerichte duften auf den Tischen, Radler in Krügen stehen daneben. Die Kollegen sind bester Laune. Also Stempel rein ins Heft, Platz genommen und nach kurzem Blick in die Speisenkarte „Spaghetti olio e aglio“ bestellt. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wir plauschen mit den Sitzenden und den Kommenden und nach einer wahren Genuss-Pause fällt es schwer, wieder auf die Räder zu steigen und dann wieder einen Rhythmus zu finden. Der Wind frischt auf und bläst uns genau ins Gesicht. Etwas härtere Arbeit bis hin nach Wittenberg ist angesagt. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Auf der Elbebrücke passiert uns die Gruppe um Ingo, die uns kurz vorher überholt hatte. Tja, manchmal hat Ortskenntnis Vorteile, und ein paar vermiedene Ampeln hatten uns wieder nach vorn gebracht.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Eine wahre Lust sind die nächsten Kilometer bis hin ins Wörlitzer Gartenreich. Eigentlich wirkt die ganze Elbaue zu dieser Zeit wie ein riesiger Garten. Wolfgang und ich beschließen, den Kontrollstempel bei Streckenkilometer 184,3 mit einem großen Eis zu verquicken. Erst der Stempel, dann der eisige Genuss. OLYMPUS DIGITAL CAMERAWir stehen wieder zur Weiterfahrt bereit, als uns abermals die Truppe um Ingo passiert. Entweder haben sie eine längere Pause gemacht oder einen Umweg durch den Park gefahren. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Dieses Mal sollte sich ihr kleiner Vorsprung zu einem 40 Minuten Nachteil für uns auswirken. Als wir an der Fähre in Coswig ankommen, sehen hinter  den  Voreilenden nur noch die Heckwelle. Dann beschließt der Fährmann, ganze 35 Minuten auf der anderen Seite zu pausieren.fullsizeoutput_3d28

Bei dieser Zwangspause können wir die überaus fein gebauten Meerglas-Räder von Tom bewundern. Bildschön und gleichsam zweckmäßig und zuverlässig.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAuf unserer Seite treffen Biker, Randonneure, Radtouristen und Autos reichlich ein. Eine richtige Schlange bildet sich am Anlegepunkt, so dass wir schon Bedenken haben, überhaupt beim nächsten Mal mit rüberzukommen.

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Das Warten auf die Fähre tut der Gruppe um Andy und Flo keinen Abbruch

Wir drängen also in die vordere Reihe und stehen irgendwann auf der Fähre. Nun aber dauert es abermals: Der Fährmann und sein Kassierer sorgen erst einmal dafür, dass kein Fährgast die Zeche prellt. Wir stehen und warten und warten. P4210308.jpgUnsere „gute Zeit“ bis hierher ist weggeschmolzen und wir finden uns in der nächsten Gruppe um Klaus und Phelim wieder. OLYMPUS DIGITAL CAMERAGut, dann haben wir Gesellschaft auf der nächsten Etappe durch den Fläming nach Dobbrikow. In Coswig füllen wir beim Netto-Markt unsere Trinkflaschen auf – ich gönne mir eine Stange Knoppers als Kalorienreserve.

Die Sonne beleuchtet wunderbar die herrliche Landschaft. Felder, Wälder, Alleen mit blühenden Bäumen. Das liebt der Randonneur!

In Dobbrikow holen wir uns gegen 19.45 Uhr den vorletzten Kontrollstempel und genießen ein kühles Radler für den Radler. Brevet 300 BB73Andy und die Kollegen haben großen Hunger und schaufeln eifrig Reibekuchen  mit Apfelkompott, Omelett und andere leckere Sachen in die gierigen Körper.

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natürlich nur mit Radler und Weizenbier ohne Alkohol,  und die Zigaretten sind nikotinfrei

Ab geht es auf die letzen 50 Kilometer, hinein in die Abenddämmerung. Die Singvögel starten ihr Konzert und untermalen die Strecke bis zum Rand von Berlin auf das Feinste.

Dann wieder Ampelhopping – Zehlendorfer Damm, Hohenzollerndamm, ein paarmal links und rechts, dann stehen wir wieder vor dem Amstelhouse. Der Kreis hat sich geschlossen für heute. OLYMPUS DIGITAL CAMERALetzter Stempel nach 22 Uhr, Durchschnitt in Bewegung knapp 26 km/h. P4210333.jpgFür Altrandonneure 65Plus gar nicht so übel, wie Wolfgang und ich feststellen. Die nächsten zwei Stunden genießen wir leckere Pilsner, Lasagne und Salat und den Erfahrungsaustausch mit den Kollegen. Kurz nach Mitternacht starte ich auf die 15 km-Etappe nach Hause durch die immer noch sehr lebendige Stadt. Ich fahre mit Warnweste und zwei hellen Rückleuchten. Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die manchmal gar nicht rücksichtsvollen Autofahrer Abstand halten.

Eine knappe Stunde später noch einen Schluck Rotwein zum Entspannen und dann kommt der tiefe Schlummer.

Heute waren das in Summe 345 Kilometer und bei diesem Wetter, der wunderbaren Frühlings-Landschaft und so vielen alten und jungen Kollegen war das die reine Freude!

 

P.S   Mit Dank für die Fotos von Rafal und Andy

Die wundersame Vermehrung von Rädern und Randonneuren

17. April – einer der ersten warmen Tage des Jahres tröstet über die fiesen Erfahrungen bei den ersten Brevets in Kälte und bei Dauerregen. Heute wollen wir die Sonne genießen und einfach nur durch die Landschaft rollen. Am Schwielowsee entlang – Peter zeigt mir das Schloß Petzow, das gerade restauriert und durch einen Anbau ergänzt wird, in dem sich demnächst Wohlhabende eine schöne Wohnung mit Blick auf den See gönnen können. OLYMPUS DIGITAL CAMERA Ab geht es nach Süden durch Wald und Heide. Kleine Kaffeepause in Treuenbrietzen:OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wir kommen mit David ins Gespräch, der beim Candy B. Traveller mitgefahren ist. Frankfurt nach Berlin – 630 Kilometer – mit viel Schotter und Waldwegen – mit „Overnightern“ in freier Natur. Er ist auf dem Rückweg nach Frankfurt und will in Dessau eine Übernachtung einlegen. Sein eingeschlammtes Merida zeugt vom Fahren auf schwerem Geläuf bei mehr Regen als Sonne. Heute lacht die Sonne vom blauen Himmel und macht das fiese Wetter der vergangenen Woche vergessen. OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

In den ehemaligen Kammerspielen von Treuenbrietzen werden nur noch Filme gezeigt, die Volksbuchhandlung hat offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen.

Über die Grund-und Endmöränen des Fläming kurbeln wir stetig in Richtung Wittenberg. Vor 501 Jahren nagelte Martin Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg – ein guter Grund, das  Städtchen nach überstandenen Jubiläumsfeierlichkeiten mal wieder aufzusuchen. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Einen kleinen Umweg über die Ortschaft Zahna leisten wir uns noch – ich will meine Reifen ein paar Kilometer  den Track des 300 km-Brevets, das am 21. April gefahren werden will,  fühlen lassen. Ein wundersames Objekt, in dem es mal Tapeten, Lacke und Bodenbeläge zu kaufen gab, steht zum Verkauf. Ich fürchte, der Verkauf könnte noch dauern…

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Um 16.40 Uhr begrüßt uns die bronzene Katharina von Bora im Innenhof des Lutherhauses, einem ehemaligen Augustinerkloster, in dem Martin über 35 Jahre mit seiner Frau und seinen Kindern lebte und lehrte. Heute genießen wir zuerst den Blick auf eine riesige, wunderbar blühende Magnolie, erst dann schauen wir uns Katharina an und wenden uns nach erstem Kultur- dem leiblichen Genusse zu. Sicher ganz im Sinne Luthers, der bekanntlich ein Freund des Bieres war. Wir laben uns an kühlem Paulaner Weizen.

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Der Altstadt von Wittenberg ist das 500-Jahre Reformation-Jubiläum gut bekommen. Häuser, Plätze und Brunnen sind aufwändig restauriert oder neu hergerichtet. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

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Allerdings: Wittenberg hat zwei Gesichter – das bunte restaurierte des Altstadtkerns und das graubraune in den Reihen dahinter:

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Schließlich fahren wir nach Osten in Richtung Bahnhof, vorbei am alten Bunkerberg, der komplett umgestaltet ist. Die Spiegelkonstruktion mit Plattformen und Gängen macht uns neugierig. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Zum Reformationsjubiläum wurde ein Entwurf von Studenten der „Peter Behrens School of Arts“ in Düsseldorf realisiert – ein Geschenk der EKD an die Stadt Wittenberg.

Die Installation trägt den Titel „Spiritualität“. Treffend, wie ich meine. Wir jedenfalls können uns nicht satt sehen an den Perspektiven, den Spiegelungen, den optischen Effekten – und ich kann mich nicht satt-fotografieren.

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Ein Peter oben, einer unten
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Die wundersame Colnago-Vervielfachung
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Die echte und die gespiegelte Kirsche
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Der dreifache Peter

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Blütentraum
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Schüler auf der Suche nach dem Bethel-Haus. Wir konnten ihnen helfen, das Ziel zu finden

Dann gönnen wir uns noch eine Pizza und ein Bier in der Altstadt, bevor uns der Zug wieder heim nach Berlin bringt.

Gutes Wetter, gute Laune, gute Beine, guter Trainingseffekt für das 300er Brevet am kommenden Samstag.

( Ja, ja, der Bericht ist in Arbeit…)