Ein Traumwetter, und das im Januar. Keine Wolke verunziert den makellos blauen Himmel, ein zaghaftes Lüftchen weht aus Südwest. Dazu passend entscheiden wir uns für einen gemütlichen Ausritt in das Havelland. In Phöben biegen wir ein auf den Havelradweg und genießen den Blick über die Wiesen und Kanäle. Graugänse schnattern und wandern futtersuchend umher, ein großer Bussard quert den Radweg.
In Ketzin setzen wir mit der Fähre über auf das rechte Havelufer.
Ein geschnitzter Kranich grüßt stellvertretend für seine Artgenossen, die noch auf Wanderschaft sind. In der Ortschaft Roskow weckt das schlossartige Gebäude an der Durchfahrt unsere Neugier. Heute wollen wir es genauer wissen und machen einen Info-Stopp. Gegenüber vom Hauptportal steht einen Steinwurf entfernt ein schmuckloses, aber modernes Schulgebäude.
Im Gegensatz zum renovierten Portal befindet sich die Parkseite noch im Rohzustand. Bei der Recherche finde ich heraus, dass Schloss Roskow zwischen 1723 und 1727 für Christoph III. von Katte errichtet wurde. Sein Verwandter Hans Hermann von Katte, erlangte traurige Berühmtheit, als er 1730 auf Geheiß von Friedrich Wilhelm I. in der Festung Küstrin enthauptet wurde, weil herauskam, dass er seinem Freund Friedrich, dem nachherigen Friedrich dem Großen, bei der geplanten Flucht nach Frankreich helfen wollte. Der Hinrichtung von Katte durfte er dann als „erzieherische Maßnahme“ bei der Hinrichtung auch noch zuschauen. Christoph III. von Katte wird es zu jener Zeit besser ergangen sein, als er sich auf seinem neuen Schloss des Lebens erfreute.
Heute ist das Gutshaus im Besitz eines Verwandten der Familie von Katte, der das Anwesen im Jahr 2010 von der Gemeinde kaufte und schrittweise renovierte. Kultur und Kunst sollen hier zukünftig zu Hause sein.
Im ehemaligen Gutsverwalterhaus residieren Gemeindeverwaltung, ein Arzt und ein Friseursalon. Die Hinweisschilder sind leicht ausbesserungsbedürftig.
Nach dem ersten Kulturausflug des Tages setzen wir uns wieder auf die Räder und fahren bis zum Café Backwahn in Päwesin, unserer Lieblingsadresse in dieser Region. Riesenkuchen, Riesenkaffee, beste Qualität.
Fast hätten wir im wohlig warmen Wintergartenanbau vom Backwahn die Zeit vergessen. Die Sonne steht schon erkennbar tiefer, als wir uns endlich losreißen.
Gerade einmal 113 Jahre jung ist die wunderschön restaurierte Jugendstilkirche des Nachbarortes Bagow. Genau hier biegen wir ab nach Norden in Richtung Klein-Behnitz und rumpeln über das historische Klinkerpflaster der Dorfstraße, wo die Klinker senkrecht im Fischgrätenmuster eingesetzt sind. Angeblich, weil dadurch wesentlich mehr Ziegel zum Vorteil der das Material liefernden Ziegeleien benötigt wurde. Höchst erstaunlich ist der gute Zustand der über 100 Jahre alten Straße.
Ab Groß Behnitz wird der Weg dann hochkomfortabel. Der Europäische Landwitschaftsfonds lässt grüßen.
Die vier Kilometer vom ehemaligen Gut der Familie Borsig bis zum Schloss Ribbeck sind der reine Genuss. Waldbaden vom Feinsten sozusagen. In Ribbeck begrüßt uns die Gaststätte Fontane. Aber wie!
Die ehemals florierende Stätte gammelt vor sich hin, Wohnwagen, Verkaufsstände, die nicht mehr betrieben werden, und an der Seitenwand das abblätternde Gedicht vom Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Schön-schlimmer hätte das kaum ein Regisseur in den historischen Ort platzieren können. Ein paar Meter weiter strahlt uns Schloss Ribbeck versöhnlich an. Wunderbar restauriert lacht es mit der Sonne um die Wette.
Die Gegensätze in Ribbeck könnten nicht größer sein.
Auf dem Weg nach Norden streifen wir das für uns unvermeidliche Paulinenaue nur am Ostrand, blicken zum Bahnhof hinüber und kurbeln fleißig weiter auf dem wunderbaren Radweg der Stillen Pauline.
Lange Schatten werfen wir nach Nordosten in Richtung Fehrbellin und Neuruppin. Wahres Genussradeln ist das heute, bei sanftem Rückenwind und knapp zweistelligen Temperaturen.
Die Radwegerbauer haben am Rande die ehemaligen Bahnschwellen der Pauline senkrecht aufgestellt. Neuruppin erreichen wir bei niedrig stehender Sonne. Fontane grüßt uns und wir ihn.
An die Kulturkirche wird Fontane projiziert, und auch wir versuchen uns an Schattenspielen.
Im Restaurant Rosengarten, direkt neben dem Gymnasium, in dem der Dichterfürst gute Teile seiner Grundbildung aufgesaugt hat, genießen wir einen leckeren Riesling und rollen danach entspannt zum Bahnhof Rheinsberger Tor.
Genuss für Körper und Seele, so kann Radfahren sein im Winter.