HH-B – Zeitfahren at its best

14. August 2017, null Uhr. Ich sitze am Mac und versuche, mich für HH-B 2017 anzumelden. Es dauert, bis der Server von Audax-SH sich rührt. Nach 20 Minuten ist es vollbracht. Ich habe einen Startplatz.

Schon im Laufe des Montags ist HH-B ausgebucht. Wie heißt es doch: „The early bird catches the worm.“

Im Alt-Lohbrügger Hof haben Peter, Wolfgang und ich Zimmer gebucht und reisen am Freitag, dem 13. !! an. Per Flixbus, weil die Bahn schon alle Radstellplätze vergeben hatte. In drei Stunden von Alt-Tegel bis HH-ZOB. Der Busfahrer ist freundlich und humorvoll, flexibel auch noch, denn unsere Renner dürfen im Gepäckabteil sicher mitreisen. Und der Preis von 23 € für die Reise inklusive Radtransport ist unschlagbar.

Um kurz vor 20 Uhr stürzen wir uns in den Hamburger Stadtverkehr und rollen die 15 km bis Bergedorf. Auch sehr komfortabel, denn HH verfügt über breite Radwege, abseits der Hauptstraße. Ein Genuss! Auch im Hotel hat man ein Herz für Radfahrer – die Renner können wir sicher im Heizungskeller abstellen. Vorwärmen für das Zeitfahren am kommenden Tag. Unsere Startzeit um 7.40 Uhr erlaubt uns, um 6 Uhr ein komfortables Frühstück im Hotel einzunehmen: Müsli, Rührei, Marmeladenbrötchen. Die Randonneure stärken sich. Dann erstmal zum Warmrollen  8 km bis zum Startort Vierländereck in HH-Curslack. Milde Lüfte umspielen die gestählten Körper. Das Hotel Vierländereck ist im Vergleich zum bisherigen Startort am alten Fährhaus ein Komforttempel.

Start Vierländerhaus
Anstehen für die Startunterlagen

Das Team um Burkhard Sielaff und Michael Nagel hat eine perfekte Organisation auf die Beine gestellt. Wir bekommen unsere Teilnehmerschilder und eine Startkarte, die eingescannt wird.

Am Starttisch
Foto von Audax-SH

Hightech-Startzeitnahme per Handyscan. Um 7.40 Uhr gehen wir auf Kurs.

16 Grad warme Luft bringt der spürbare Südwestwind ins Land. Sehr angenehm. Wir ziehen die Jacken aus und fahren in Trikot plus Weste los. Einrollen, langsam beginnen. So haben wir uns das vorgenommen. Schließlich sind wir Oldies mit Durchschnittsalter 65. Nein, wir sind nicht geplagt vom Ehrgeiz, schnell zu sein, wir fahren nie schneller, als wir eigentlich sollen oder gar können. Uns reizt keine schnelle Gruppe, die vorbeirauscht –  Lüge! Es kitzelt natürlich doch, und ein paar km/h schneller als sonst sind wir schon unterwegs. Wolfgang wird anfangs von fiesem Asthmahusten heimgesucht. Wir sorgen uns schon, als er dann doch immer besser in Fahrt kommt. Gut so! Jetzt rollt es. Rüber über die unendlich lange Brücke bei Geesthacht, auf die Niedersachsener Seite. Gefühlt auf jedem dritten Bauernhof weht die Flagge des Landes. Da war doch was: Ja, es wird  am Sonntag gewählt.

Der Himmel gibt sich zunächst grau an diesem Morgen. Wildgänse schnattern über uns , Starenschwärme rauschen durch die Lüfte. Im Fachwerkstädtchen Bleckede locken die Marktstände zum zweiten Frühstück. Manche lassen sich bremsen und halten an beim Bäcker.

Wir freuen uns am gleichmäßigen Rollieren. Schön flach hier – aber es bleibt nicht flach. Die erste kleine Prüfung wartet auf dem rumpligen Waldweg bei Alt Garge. Ich habe den Track gebaut und übernehme die Verantwortung für das kleine Ungemach. Links und rechts liegen vom Sturm entwurzelte und geknickte Bäume. Unter einer flachgelegten Buche müssen wir hindurch und schieben. Gönnerisch halten wir einer herankommenden Gruppe das Absperrband hoch.

Von Neu-Darchau bis Hitzacker gibt es eine kurze und eine bequeme Trackvariante. Heute locke ich, überraschend für Wolfgang und Peter, die beiden  auf die Elbuferstraße. Kürzer, aber dafür mit einigen fiesen Rampen bestückt. 13 Steigungsprozente am Elberand. Wer hätte das gedacht?! Wir keuchen uns die Wellen hinauf, rauschen wieder ins Wellental und das Ganze noch ein paarmal. DSCN2252

Auf der Kuppe nach  einem kurzen 10-Prozenter hat Harald Legner  einen genauso unvermuteten wie schnuckeligen Versorgungsstand aufgebaut:P1090210

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Hamsterbacke – Gummibären geben Kraft

Wir keuchen uns aus und genießen Radler, Gummibären und Knabberzeugs. Harald spricht uns Mut zu: „Ihr seht doch noch gar nicht so kaputt aus.“ fullsizeoutput_3742

Ab geht es in die nächste Bodensenke mit 13 Prozent Gefälle – 70 km/h. Das fetzt.

Bis nach Hitzacker noch ein paar kleine Wellen, die wir mit Schwung nehmen. Dann entscheiden wir uns für den Weg über Dannenberg und die Bundesstraße entlang zur Dömitzer Brücke. Da ist zwar ordentlich Verkehr, aber dafür rollt es  gut.

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Am Ende der Brückenabfahrt stehen schon die Kollegen vom Audax und weisen uns auf den Parkplatz ein. 95 Kilometer liegen hinter uns. Karte raus zum Scan und dann  ab zur Kaffeetheke.

Wolfgang bemüht sich, festzustellen, dass diese Veranstaltung ein Zeitfahren, keine Kaffeefahrt ist. O.k., ein Schnitt von 28 km/h bis hierher geht ganz in Ordnung. Der Aufwand, den das Team um Burkhard Sielaff treibt, um uns zu umsorgen, ist beispielhaft. Kaffee, Brötchen, Bananen, Iso-Getränke, Zuspruch. Wunderbar, wie ihr das macht! DANKE!

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Unser Berliner Brevet-Strecken-Designer Ralf hat sein kampferprobtes SOMA auf dem Pflaster abgelegt.

Mit dem SOMA hat er im Sommer schon reichlich Höhen- und Streckenkilometer bei der Torino-Nice-Rally gesammelt. Sehr lesenswert: Ralphs Torino-Nice-Bericht

Das Brötchen noch im Mund, starten wir gen Lenzen an der Elbe. Flott geht es weiter mit Schiebewind. Selten zeigt der Tacho weniger als 30 km/h. Das motiviert. Wenn nicht die schnellen, jungen Wilden wären, die an uns im Team und alleine vorbeirauschen. GeraldIch erkenne Gerald,  eine halbe Stunde später als wir gestartet und auf seinem Bottecchia Chrono pfeilschnell unterwegs.  Sagenhafte 37,5 km/h netto wird er im Ziel verbuchen können.

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Wolfgang schießt ein Foto mit mir und diesem herrlichen Longhorn-Rind und seinem Kälbchen. In der Nähe von Lenzen steht eine ganze Herde auf einer riesigen Weide. Herzerwärmend und beeindruckend.

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Wittenberge von der bescheidenen Seite

Wolfgang und Peter verfluchen bei zwei, drei Gravel-Abschnitten meine Streckenführung. Kurz, aber nicht gleichbedeutend mit schnell. Und die beiden wollen SCHNELL nach Berlin kommen. Ich füge mich und mache keine weiteren Experimente. Stattdessen fabuliere ich von einer wunderbaren Pause mit Kuchen und  Kaffee. Es kommt aber in der brandenburgischen Diaspora weder eine Bäckerei noch gar ein Café vorbei. Erst in Rhinow, mit Blick auf die Hügel vom alten Lilienthal, entdecken wir einen „NP-Discount-Markt“ . Wir biegen auf den Parkplatz ein und treffen auf eine Gruppe Berliner Triathleten, die sich auch hier mit Getränken eindecken. Ich kaufe ein Paket Butterwaffeln und eine Flasche Apfelsaft. Das sollte reichen für die letzten 75 Kilometer. Peter treibt uns zum Aufsteigen, als die Triathletentruppe sich zum Aufbruch bereit macht. Eine Minute später befinden wir uns in munterer Fahrt. 30 km/h plus x. Das geht so eine ganze Weile, lecker gewürzt mit anregenden Gesprächen. Wenn die nicht auch ab und an unsere Führungsarbeit erwartet hätten … 25 Kilometer halten wir munter mit, dann schere ich aus und entscheide mich für eine weniger schweißtreibende Gangart. Peter wäre gern noch im D-Zug weitergefahren. Ich habe aber den Verdacht, dass auch er letztlich ganz dankbar für die Temporeduzierung ist.

N9EV7Mtm2joH6I5aREYPk8s5dLDEej4D7zoy5BRxPlY-96x128 In Wustermark bremst uns dann unser alter Randonneursfreund Peter aus Spandau, der uns ein wenig entgegengekommen ist. Foto, und weiter geht die Reise. Er bleibt im Bereich des Outlet-Centers ohne für uns erkennbaren Grund zurück. Ein Kollege, der mit einem wunderhübschen türkisfarbenen DF-Velomobil wie wir auf dem B5-Radweg fährt – offensichtlich mittlerweile total leergefahren und platt, ist in eine scharfen 180-Grad-Kehre umgekippt und benötigt Hilfe. Peter hilft und lotst den Velomobilisten aus Schweden sicher bis zum Ziel.

Gegen 18.35 Uhr rollen wir auf dem Hof des Wassersportheims in Alt-Gatow ein. 10:55 Stunden brutto. Schön, dass auch nach uns noch eine ganze Reihe Teilnehmer einrollen. Ganz hintendran waren wir also nicht. Auch die Triathleten kommen nach uns ins Ziel. Ein Defekt in der Nähe des alten Olympischen Dorfs hatte sie Zeit gekostet.P1090240

Die Velomobil-Armada, die so eindrucksvoll und schnell unterwegs war, ruht schon eine Weile im Ziel aus.

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Ernestine von den Cycology-Triathleten freut sich über ihre Finisher-Medaille.

Wir freuen uns auch und erholen uns bei Bratwurst, Bier, Linsensuppe und bei Gesprächen mit alten und neuen HH-B-Fahrern.

Es war eine Lust, an diesem Samstag 275 Kilometer durch die milde Luft zu rollen. Gemeinsam mit mehr oder  weniger ehrgeizigen, mit mehr oder weniger schnellen  Sportlern.

Viele zufriedene Gesichter, lachen, abklatschen, umarmen. Freude an der eigenen Leistung. Das macht es aus. So soll es sein!

 

P.S:  Ganz herzlichen Dank an das Team vom Audax-Club Schleswig-Holstein. Ihr seid so nah am Teilnehmer, so schnell, so verbindlich, so freundlich und kompetent. Alle Achtung!

 

 

4 Antworten auf “HH-B – Zeitfahren at its best”

  1. Mal wieder ein wunderbarer Bericht! : )

    Ich habe Euch leider um wenige Minuten verpasst, sehr schade. Habe in Alt-Gatow einen Übernachtungsgast eingesammelt und war ca. 5 Minuten vor Eurem Eintreffen wieder war. Aber man sieht sich im nächsten Jahr wieder. Viele Grüße!

  2. Hallo Dietmar!
    Sehr schöner Bericht von dir und Glückwunsch zu dieser Leistung.
    Habe dich gleich auf den Bildern von Andrea und Burkhard erkannt.
    Freue mich schon auf deine nächsten Berichte von deinen Fahrten.
    Schöne Grüße aus dem HOHEN NORDEN.
    Pp

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