Brustumfang 7,90 m, aber es kommt noch dicker!

Um so dick zu werden, braucht auch eine schnellwüchsige Eiche etwa 500 Jahre. Also hat die „Kaisereiche“, die zwischen Schönfließ und Bergfelde steht, die frühen Tage beider Ansiedlungen schon erlebt. Hat die unruhigen Zeiten des 30-jährigen Krieges schadlos überstanden, im Gegensatz zur Ortschaft Schönfließ, wo die Kriege und die Pest kaum Einwohner übrig gelassen hatten. Heute kann das Baummonument hinüberblicken zu zwei Orten des Berliner „Speckgürtels“, die prosperieren und mehr und mehr Einwohner aus der Stadt ins ruhigere Grün hinausziehen.

Kaisereiche bei Schönfließ

Der stattliche Baum trägt den Namen Kaisereiche, ich kann allerdings nirgendwo ergooglen, auf welchen Kaiser sich dieser Name wohl beziehen mag.

Einen Kilometer Luftlinie entfernt steht im Kindelwald ein zeitverwandter Baumriese, eine Stieleiche, die über 6 Meter Umfang hat. Heute ist sie umgeben von jüngeren Bäumen – Ahorn, Buchen, Kiefern, Erlen. Sie versteckt sich geradezu vor neugierigen Blicken. So bleibt sie von Spaziergängern und von Radfahrern unbeachtet, unentdeckt. Ein kleiner Abstecher zu diesem eindrucksvollen Baum lohnt sich aber.

https://www.ostdeutsches-baumarchiv.de/albums/froehlich-wege-zu-alten-baeumen-brandenburg/content/nr-72-eiche-kindelwald-glienicke/

Eiche im Kindelwald bei Glienicke

200 Meter weiter östlich stehen auf einer riesigen Pferdekoppel noch zwei Huteeichen, die ein paar Jahre jünger sind als der Kindelwaldriese, aber bei etwa 5 Meter Umfang auch über 300 Lenze zählen.

Weiter führt mich die Suche nach den monumentalen Bäumen der Umgebung nach Osten, hinein in den Barnim.

Bei der Recherche im Ostdeutschen Baumarchiv habe ich schon vor Wochen die Flatterulme von Ladeburg entdeckt, habe aber ungerechterweise bisher immer die Eichen den anderen Baumarten vorgezogen. Heute soll das anders werden. Auch Ulmen können groß und dick und sehr alt werden. Also, auf nach Ladeburg. Der Ort liegt am Radweg Berlin-Usedom, der hier abknickt und über Lobetal nach Biesenthal führt. Diese Tatsache hat bei meinen Touren bisher dafür gesorgt, dass ich immer am alten Ortskern vorbeigefahren bin. Heute habe ich die Koordinaten in mein Garmin geladen und navigiere per Luftlinie zum Ziel. Gegenüber der Kirche rolle ich ca. 150 Meter in die Rüdnitzer Straße, in die alte Dorfstraße hinein, dann stehe ich vor dem alten Riesen, der besonders im Winter, ganz ohne Blattwerk, durch seine Stammstruktur wirkt. Als wenn sich ein barocker Bildhauer hier am Holz ausgetobt hätte.

Alter 500-600 Jahre, Stammumfang stattliche 8,50 Meter

Wie ein riesiges V aus in sich verschlungenem Holz steht das Baum-Monument auf dem Grundstück neben einer Backsteinscheune. Bei Dunkelheit und Nebel ein ideales Versteck für Trolle, Heinzelmännchen und andere Märchenfiguren.

Ein informativer und anregender Beitrag zu dieser Ulme und zu Ulmen im Allgemeinen ist hier zu lesen:

https://www.in-berlin-brandenburg.com/Brandenburg/Landkreise/Barnim/Sehenswuerdigkeiten/Ulme-Ladeburg.html

Keine 10 Kilometer von Ladeburg in Richtung Südosten entfernt, sagt meine Recherche, steht in Börnicke ein Baumriese, der noch ein paar Zentimeter dicker ist als die Flatterulme. Eine Schwarzpappel muss ich in Börnicke finden – am nordwestlichen Ortsrand. Nach einer halben Stunde gemütlichem Kurbeln zieht zunächst ein alter Trabbi meine Blicke auf sich. Traurig steht er unter mittelalten Eichen, einen Scheinwerfer hält es schon nicht mehr im Plaste-Gehäuse. Auf der Motorhaube prangt, leicht übermoost, ein roter Adler. Mein sicher etwa genauso alter Basso-Crosser schaut mitleidig auf die ramponierte „Rennpappe“. Mein Basso erfreut sich mit 35 Jahren nach einer sorgsamen Restauration und roter Neubepulverung bester Gesundheit.

Jetzt aber weiter zum eigentlichen Ziel nahe am Börnicker Schlosspark: Neben der Straße die Böschung hinunter schiebe ich mein Stahlgefährt über einen leicht vermatschten Wiesenweg zur Schwarzpappel, deren Dimensionen erst deutlich werden, als ich die alte, unglaublich dick und grob gefaltete Rinde anfasse. Ich klettere durch das Gestrüpp auf die Rückseite des gewaltigen Stammes und falle fast in den Baum hinein. Ein Seitenstamm ist weggebrochen und hinterläßt eine riesige, klaffende Wunde im Hauptstamm. Schlingpflanzen klettern ins Innere, Spinnweben, Moos, faules Holz kleiden die Baumhöhle aus. Ein Wunder, dass die Pappel noch fest steht und den Winden und Naturgewalten trotzt.

Unglaubliche 9,11 Meter Umfang hat das Ungetüm. Aber nur 180 Jahre hat die Pappel gebraucht, um so groß und so mächtig zu werden. „Schnellwüchsig“ nennt man solch ein Wachstumsvermögen. Im Vergleich dazu wächst eine Stieleiche geradezu in Zeitlupe. Die Schwarzpappel von Börnicke soll die älteste und die dickste ihrer Art in ganz Deutschland sein.

Ich umrunde und umklettere das Ungetüm mehrfach und atme und staune. Starker Charakter, dieser Prachtbaum! Ich kann mich kaum losreißen und blicke immer wieder zurück, bis die Silhouette kleiner und kleiner wird und schließlich am Horizont verschwindet.

Die Suche nach Eichen, Ulmen, Buchen, Pappeln und deren Geschichte wird mich so schnell nicht mehr loslassen. Trotzdem freue ich mich darauf, irgendwann wieder bei lauen Lüften dem reinen Randonnieren frönen zu können. Am besten gemeinsam mit Freunden, am besten wieder mit einer zünftigen Einkehr beim Lieblingsbäcker – abends ein Bier oder zwei….

Hoffentlich bald werden wir zurückblicken auf die Corona-Pein und wieder die gemeinsamen Freiheiten genießen. Aber bis dahin, egal wielange das dauern wird, warten noch viele Bäume auf meine Entdeckung, warten noch viele freilaufende Rinderherden, Schafe, Ziegen, Pferde – Kraniche und Gänse auf den Wiesen. Natur ist nie langweilig, ist immer interessant und staunenswert.

Eben ein „Naturgenuss“, wie schon Alexander von Humboldt diesen damals neuen Begriff vor 200 Jahren formulierte.

6 Kommentare zu „Brustumfang 7,90 m, aber es kommt noch dicker!

  1. Hallo Markus, nach dem „Art-Fahren“ nun das „Baum-Fahren“ – Alte und besondere Bäume sammeln, dann die Geschichten dazu herausfinden. Das wird mich sicher noch länger beschäftigen. Die Halden im Pott werde ich mir, sobald Corona es erlaubt, auch mal vornehmen, zumal ich „Pott-affin“ bin. Als gebürtiger Sauerländer mit Studium in Bochum ist ein Teil von mir immer noch dort.

    Hier noch ein Link zum Baumregister
    https://www.baumkunde.de/baumregister/

    All the best – Dietmar

  2. Hallo Dietmar,
    ein weiterer schöner Grund um Rad zu fahren. (Wenn es denn überhaupt eines Grundes bedarf)
    Ich suche mir auch immer wieder neue Gründe um die Fahrten abwechslungsreicher zu gestalten. Sei es damals das Art-Fahren (war eine tolle Erfahrung), einfach Straßen sammeln per Wandrer.earth um damit seine persönliche Heatmap auszuweiten oder Kacheln abfahren unterstützt per Veloviewer. Hier bei uns im Pott kann man sich noch im Umfeld die verschiedensten Halden als Ziele vornehmen, Überbleibsel aus der goldenen Zeit der Kohleförderung.
    Bäume zu besuchen ist definitiv eine gute Bereicherung. Mal schauen, ob ich sowas wie ein Baumarchiv auch hier ausfindig machen kann.
    Viele Grüße aus Duisburg,
    Markus

  3. Demnächst sehe ich mich noch mit einem maßband im Fahrtgepäck .Ich werde messen und berichten. 6Meter also gleich 500 jahre – das ann man sich merken. Ein feines Thema, sehr sinvoll daran zu erinnern!!

  4. Hallo Henning, es freut mich sehr, dass dir die Baumberichte gefallen. >>> Wenn du mal in meiner Gegend sein solltest, kurze mail vorher, dann machen wir was gemeinsam.

  5. Großartig! Diese Baumriesen berühren Seele und Herz. Und ich beneide dich sehr, dass du die Zeit dafür hast. Durch deine Berichte bin ich wenigstens ein bisschen dabei, das ist auch schön 🙂 Wenn ich irgendwann mit dem Rad durch deine Gegend komme werde ich bei dir klingeln und so lange warten, bis du mit einem Fahrrad aus der Tür kommst und einige Meter mit mir fährst 🙂 Herzliche Grüße aus Aachen, Henning

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