Bäume faszinieren mich schon immer. Genauer habe ich mich mit diesen Lebewesen aber erst in den vergangenen fünf Jahren beschäftigt. Vielleicht ist das eine Alterserscheinung. Ein Altersspezifikum. Alt zu alt gesellt sich gern… Wobei ich mit den herrlichen Bäumen, die ich begreifen, umfassen, anfassen, erleben durfte, nicht ansatzweise mithalten kann. Was haben sie alles gesehen, erlebt, erlitten in den vergangenen Jahrhunderten.
Heute besuche ich meine drei Lieblingseichen im Umkreis von fünf Kilometern. Schon oft habe ich nach ihnen geschaut, habe versucht, zu ergründen, wie es ihnen geht. Sind sie gesund, haben sie genug Nahrung, genug Wasser? Woran kann ich das eigentlich erkennen? Der Oberförster Wohlleben würde das sicher viel besser erklären können als ich, der Möchtegern-Baumkenner. Aber der gute Wohlleben lebt nun mal nicht in meiner Nachbarschaft, so mache ich mir die Baumgeschichten halt aus eigener Denke.
Die erste der Drei habe ich vor drei Jahren erst richtig wahrgenommen. Viele Male war ich an dem Baumriesen bei Schönfließ eher achtlos vorbeigefahren. Dann, in der Winterzeit, habe ich erfasst, wie riesig, wie mächtig die Eiche ist. Dann bin ich zu ihr gelaufen, habe sie angefasst, sie umrundet, habe hochgeschaut. Ein unglaublicher Baum! Allein die grobrissige Borke atmet Kraft und Vergänglichkeit zugleich. Sie trägt den Namen „Kaisereiche“, wobei ich nirgendwo finden kann, auf welchen Kaiser sich der Name bezieht. Mein Maßband, das ich ihr um die Taille lege, weist stolze 7,75 m Umfang aus. Wahrhaft kaiserlich! 450 bis 550 Jahre ergibt die gängige Formel für Eichen ( Umfang x 0,7 bis 0,8) , wobei es bei ihrer angeblichen Schnellwüchsigkeit auch 100 Jahre weniger sein könnten. Wer weiß? Sie wird es nicht kümmern.





Nur 1,8 Kilometer südlich, im Kindelwald, hat sich ein weiterer Baumriese Nummer zwei versteckt. Die Kindeleiche, wie ich sie getauft habe, misst knapp 5,90 m Umfang in Brusthöhe. Auf dem Portal Baumkunde.de wird ihr ein vermutliches Alter von um die 400 Jahre und eine Höhe von 26 Metern attestiert.




Die dickrissige Borke der Kindeleiche ist ein wahres Biotop: Käfer und Spinnen haben beim alten Baumriesen Schutz und Nahrung gefunden. Noch hält er stand, obwohl im unteren Stammbereich viel Totholz zu erkennen ist. Aber ganz oben ist die Baumkrone dicht belaubt. Offensichtlich nehmen ihr die nahestehenden Birken und Ahorne Licht und Nahrung. Also streckt sie die obere Krone ins Licht und zeigt den jungen Gewächsen, wie man überlebt.
Eiche Nummer drei am heutigen Tag steht im drei Kilometer nördlich gelegenen Friedhof von Bergfelde. Sie ist eine Trauben-Eiche, zu erkennen an den längeren Blattstielen und an den büscheligen, kurzen Fruchtständen.




Mein letzter Besuch des Baumes liegt ein halbes Jahr zurück. Im Winter war nicht auf den ersten Blick zu erkennen, wie es um ihn steht. Heute wird klar, warum er durch rund herum an Baumstücken befestigte Wassersäcke versorgt wird. Er hängt am Tropf wie ein Lebewesen, dem es wirklich schlecht geht. Die nach Süden ausgerichtete Hälfte der riesigen Baldachinkrone, die einen gewaltigen Durchmesser von 28 Metern hat, ist unbelaubt. Komplett trocken und leblos. Erstaunlich, dass noch kein Ast herausgebrochen ist. Ob die zusätzliche Wasserversorgung zu einer Verbesserung des Zustands führen wird, ist noch nicht erkennbar. So ist fraglich, ob das Monument mit gemessenem Taillenumfang von 5,55 m und dem davon abgeleiteten Alter von 300 bis 400 Jahren noch lange Schatten und gute Luft spenden kann.

Wer suchet, der findet!