Ein stahlblauer Himmel lacht über Berlin am 5. September. Also trage ich mein Schönwetter-Rad aus dem Keller ans Tageslicht: das Colnago-Mexico , das in diesem Jahr seinen 37. Geburtstag feiert. „Only steel is real“ – Tatsächlich verfügt das Stahlgerät aus 1980 noch über die Original-Campa-Record-Titan-Gruppe. Nur das Innenlager habe ich vor einem Jahr erneuert. Sattel, Steuersatz, Lenker und Vorbau sind nicht mehr die ursprünglichen. Aber: Kettenblätter, Ritzelpaket und Naben, das alles funktioniert noch wunderbar. Und schließlich sind das Verschleißteile. Wenn ich in „Roadbike“ über die Lebensdauer in sogenannten Dauertests über 4000 km von teuren Ritzelpaketen und Kettenblättern lese, die am Ende des Tests am Ende sind, kann mein altes Colnago nur souverän in sich hineinschmunzeln – nach mehr als 80 000 Kilometern.
Lässig lehnt das Mexico aus 1980 an der Ziegelei-Lok aus den 50er Jahren.
Diese Preziosen sind zu sehen im Ziegeleipark Mildenberg, in dem mittlerweile viel Interessantes für Jung und Alt geboten wird. Ein leicht angerosteter Container ist umfunktioniert zur Imbissbude. Ich bestelle einen Pott Kaffee mit Schoko-Muffin für 2,70 €. Martin aus Velten, der auch mit dem Rad an seinem freien Tag hierhergekurbelt ist, zieht die Kaffee-Currywurst-Kombi vor.
Was ist denn das für ein Rad, Colnago?, fragt er mich. Einigermaßen perplex muss ich erst einmal realisieren, dass ein Tourenradler nichts mit der Marke Colnago anzufangen weiß. Ich erkläre ihm, dass Ernesto Colnago für Rennräder so in etwa die Bedeutung hat wie Enzo Ferrari für Sportwagen. Zu alledem waren die beiden auch noch eng befreundet. Enzo hat Ernesto beim Laminieren seines ersten Carbonrahmens tatkräftig unterstützt. Brav hört sich Martin meine Ausführungen an. „Da hab´ich doch wieder was dazugelernt“, meint er, als wir wieder aufbrechen und ich ihm noch einige Tipps zur Ersatzteilbeschaffung für sein betagtes, aber sehr gepflegtes Rennrad aus dem Hause Neckermann gegeben habe.
Den traumhaften Radweg Berlin-Kopenhagen, dem ich bis zum Ziegeleipark gefolgt bin, verlasse ich nun in Richtung Templin. Weil ich nicht den Südbogen über Burgwall nehmen will, folge ich einem Wegweiser, der mich schnurstracks in den tiefen Wald führt. Und in tiefsandige Wege. Zwei Kilometer schieben sind die Belohnung für diese Entscheidung. Abkürzung: zwei Kilometer, Zeitverlust: 20 Minuten. Aber schön ist dieser Laubwald mit Erlen und Buchen und Eichen.
In Templin-Postheim, am Lübbesee, finde ich mich an einem Südstrand wieder. Ernesto lehnt lässig an einer Strandbar, die leider außer Betrieb ist.
Von hier aus führt der Radweg in Richtung Angermünde wunderbar durch die Wälder bis Ahlimbsmühle. Dieses Stück gehört zu den schönsten Routen, die ich in Brandenburg und Meck-Pomm. kenne. Ich folge dem Uckermärkischen Radrundweg bis Friedrichswalde. Von hier führt der gut beschilderte und glatt asphaltierte Weg noch weiter bis Angermünde. Dieser Ritt noch weiter nach Osten wäre für heute zu weit für mich. Auch so werden über 170 Kilometer am Abend auf der Uhr stehen.

In Friedrichswalde biege ich ab in Richtung Joachimsthal. An der Dorfstraße entdecke ich die Landbäckerei Hakenbeck, die ich noch in guter Erinnerung habe, als ich im Frühjahr auf der Flucht vor einem heftigen Gewitterschauer Schutz suchte. Heute scheint die Nachmittagssonne mild, und die freundliche Bäckersfrau bringt mir Kaffee, Pfannkuchen und Apfelkuchen nach draußen.
Ein Geheimtipp, diese Bäckerei, in der noch selbst gebacken wird. Köstlich!
Knapp 60 Kilometer liegen noch vor mir. Joachimsthal, Werbellinsee, Zerpenschleuse, Wandlitz.
Am „Werbellin“, wie Fontane den See nannte, genieße ich den Blick über das blaugrüne Wasser. Würzige Luft, herrliches Abendlicht.
Südlich von Zerpenschleuse liebäugele ich mit dem Einstieg in die Heidekrautbahn, die am Lottschesee hält. 18.27 Uhr wäre Abfahrt, noch 15 Minuten also. Nee, dann kann ich doch weiterfahren nach Klosterfelde. Auch hier bin ich noch vor der Bahn. Ich bin motiviert, richtig reinzutreten, um mir zu beweisen, dass ich genauso früh in Schönwalde sein kann wie die Niederbarnimer Eisenbahn. Es gelingt genau: Ich treffe die Bahn am Übergang und dem Bahnhof Schönwalde. Geht doch!
20 Minuten später bin ich zu Hause. Duschen, essen. Einen leckeren Wein trinken. Eindrücke verarbeiten.
Knapp 180 Kilometer waren es. Mehr, als ich wollte am Morgen.
So, jetzt habe ich auch aus dem Martin den Michael gemacht…
Hallo Michael, erst heute habe ich Deinen Kommentar in einer „Spam-Warteliste“ entdeckt. Schön, Dich zu treffen und mit Dir zu plauschen in Mildenberg.
Und was die Beleuchtung angeht: Da bin ich halt der Gegenpol zu den Minimalisten. Ich finde es spannend, die Möglichkeiten auszureizen und alles zu erproben. Ein „Muss“ ist das aber sicher nicht. Wichtig ist, dass Du sehen kannst und die anderen Dich sehen.
Bleib munter und unternehmungslustig
beste Grüße
Dietmar
Hallo Dietmar, ich bin der Radler aus Velten, heiße aber Michael Melle…. Ich habe überall rumerzählt, was für einen Radsportverrückten ich auf meiner Tour nach Mildenberg, die ich ca. 2 Mal im Jahr unternehme, getroffen habe. Ich habe einmal eine Tour zur Müritz gemacht, und war danach total platt, und dabei bin ich erst vom Bahnhof Neuruppin gestartet.
Ich bin ziemlich beeindruckt von Deinen Rädern. Scheinbar bist Du eine Lichtgestalt, vor allem im Dunkeln. Ich selbst fahre, muss ich hier eingestehen, auf der einsamen Landstraße ohne Licht, schalte es nur dazu, wenn Autos kommen. Einen Nabendynamo hatte ich mal kurzzeitig am Tourenrad, ihn aber schnell wieder ausgebaut, weil immer ein Widerstand ca. 2 % geschätzt vorhanden ist. Ich habe eine einfache Lampe von Lidl mit Dämmerungsfunktion, die für meine Begriffe prima funktioniert. Aber ich bin da wohl eher ein Minimalist. Für meine alte Shimano-Antriebseinheit habe ich noch mal Ersatzteile bekommen, aber nur im Internet. Zusätzlich habe ich mir einen Lenkeraufsatz für ein entspanntes Fahren gegönnt – kann ich nur empfehlen! Für heute soll es erst mal genug sein. Besucht mich mal auf meiner neuen HP unter mimelle007.jimdo.com
Ich war auch bei Emma Emmelie in Zerpenschleuse s. meine Bilder. Die Tour am langen Trödel ist einmalig.
Alles Gute für Dich und bleib gesund!
Hallo Peter besonders im Herbst lohnt sich dieser Track🌳🌿🌼🍄🍁
Hallo Dietmar!
Sehr schöner Bericht. Den Track habe ich bei mir gespeichert.
Durch die Schorfheide wollte ich schon immer mal fahren. Habe sehr viel darüber
gelesen und gesehen im Fernsehen.
Wünsche dir weiterhin alles Gute.