Spree-Neiße-Elbe Teil 2

Russland – Moskau und St. Petersburg beschäftigen mich immer noch. Die Reise liegt gerade eine Woche zurück. Beide Städte lassen sich am besten zu Fuß, per Metro und Bus erkunden. Und beide Städte sind ein ungeheurer Fundus von Geschichte und auch der neuen Zeit. Erst heute finde ich die Muße und habe ich die Lust, den zweiten Teil meiner Radtour an Spree, Neiße und Elbe in die Feder zu denken.

Ich beziehe mein Zimmer im West-Hotel und freue mich über den herrlichen Blick auf Flachdach und Leuchtreklame. Mein Basso hat Platz gefunden zwischen E-Bikes und sonstigen Leihrädern. Utensilien für die Zimmerreinigung stehen herum, mein italienischer Klassiker fühlt sich gar nicht wohl hier. Ich auch nicht! Und so wandere ich los unter der Bahnbrücke hindurch an der breiten Straße entlang. Wo finde ich hier ein schönes Restaurant, eine Weinstube gar? Zwei Kilometer triste Architektur, Tankstellen und Baumärkte, dann das kleine Wunder: An der Coswiger Straße in Radebeul entdecke ich das Restaurant „Gaumenkitzel“, das sich als absoluter Top-Tipp erweisen sollte. Ich esse einen Matjes mit herrlich gemachten Zutaten, Kartoffeln, winzigen, wohlschmeckenden Bohnen, dazu trinke ich auf Empfehlung des Hauses einen Bacchus-Weißwein von der Elbe. Die netten Tischnachbarn, der Koch, die Hotelchefin, alle sorgen dafür, das dies ein gelungener Abend für mich wird. Jetzt kann ich das Hotel locker ertragen, zumal das Frühstück am nächsten Morgen erstaunlich vielfältig und von guter Qualität ist.

Peter wird heute morgen von Potsdam per Bahn nach Elsterwerda fahren und mir dann entgegenkommen. Irgendwo bei Riesa wollen wir uns treffen.

Es tröpfelt noch leicht aus dem wolken verhangenen Himmel. Die Albrechtsburg von Meißen kommt in Sicht. Den Elberadweg habe ich heute morgen für mich allein. Störche staksen auf der Suche nach Fröschen durch die Elbauen. Im Nordwesten schimmert das erste Blau zwischen den Wolken. In Nünchritz dominiert nicht mehr die Natur, hier prägt die Chemie-Industrie seit 1900 das Landschaftsbild. Silikone, Silikate, Bausteine für Fotovoltaik-Elemente werden hier erzeugt. Ich möchte nicht wissen, welche Schadstoffe hier in den letzten Jahrzehnten in den Boden und in den Fluss gesickert sind.

Wacker-Chemie in Nünchritz

Die mehr als 1500 Beschäftigten werden solche Vermutungen wahrscheinlich weniger umtreiben.

Bei Riesa biege ich ab nach Norden und sichte Peter, der mir von Elsterwerda aus entgegenkommt. Gemeinsam wollen wir weiter die Elbe abwärts rollen. In Mühlberg gönnen wir uns die erste Pause. Vor zwei Jahren hatten wir hier bei unserer Tschechien-Tour übernachtet und festgestellt, dass in diesem Ort „der Hund begraben liegt“. Wie es am hellen Tage hier ausschaut, testen wir heute. Die Familie Fontane hat hier angeblich zwei Jahre die Löwen-Apotheke geführt. Dann trieb es den Vater des Dichterfürsten weiter nach Letschin im Oderbruch.

gehobene Gastlichkeit in Mühlberg
allerliebste Fensterdekoration
Das Postamt ist keines mehr

Der treffliche Mohnkuchen in „Omas Kaffeestübchen“ sorgt für einen versöhnlichen Abschied aus dem Örtchen. Über die neue, weitgeschwungene Elbbrücke gelangen wir auf das linke Elbufer, wo der Radweg im Zick-Zack verläuft und so den Weg nach Torgau weiter erscheinen lässt als er tatsächlich ist. Der aus Nordwest blasende, auffrischende Wind drückt unsere Reisegeschwindigkeit auf 20 km/h. Im Westen bauen sich drohend Gewitterwolken auf. Erste Donner grollen zu uns herüber.

Das Wasserwerk bei Torgau liegt direkt am Radweg, und passenderweise ist hier eine Wassertankstelle aufgestellt. Gute Idee!

Am Abend erreichen wir Wittenberg. Erstaunlicherweise sind Gewitter und Regenschauer immer knapp an uns vorbeigezogen. Ein herrliches Schauspiel. In der Lutherstadt gönnen wir uns eine Übernachtung im Best Western Hotel, direkt neben Martins Wohnhaus. Im Tordurchgang ist dann dieser Spruch zu sehen:

Das Bier war lecker an diesem Abend, auch das letzte war bekömmlich.

Am nächsten Morgen zeigt sich der Himmel wolkenverhangen und muss erst einmal die Feuchtigkeit der heftigen Niederschläge der Nacht verarbeiten. Auf der Hauptstraße von Wittenberg ist um acht Uhr noch kein Mensch zu erblicken. Nebel legt sich über die Elbauen. Erst nach Süden über die Elbbrücke, dann folgen wir dem Radweg nach Wörlitz.

Friedlich und ruhig ist die Stimmung an der Elbe. Rinder ruhen unter riesigen Eichen. Gleich wird sicher Fürst Leopold III mit seiner Kutsche vorbeikommen. Diesen Weg und den riesigen Natur-Landschaftspark hat er vor über 200 Jahren anlegen lassen. Ein Projekt mit herrlicher Langzeitwirkung für die nachfolgenden Generationen.

Bauhaus „Kornhaus“ in Dessau am Fürst-Franz-Radwanderweg

Elbe abwärts rollen wir in die Anhaltinische Ödnis, wie unser Freund Wolfgang bemerkte, der aus Dessau stammt. Das Städtchen Aken beglückt uns erst mit einem Hauch von Gastlichkeit, als wir im Stehcafé vom Lidl einen Milchkaffee schlürfen. Ansonsten sieht es hier einigermaßen trostlos aus. Der immer noch graue Himmel tut das Seinige dazu.

Die Saale-Fähre und die Elbfähre bei Barby haben ihren Dienst wegen Niedrigwasser eingestellt, so müssen wir Saale-aufwärts bis Calbe fahren, um auf die andere Seite hinüberzukommen.

In Calbe hat die Personenfähre laut Fährmann noch ca. 30 cm Wasser unterm Kiel. Vielleicht ist unsere vorerst die letzte Überfahrt. Gegen den spürbaren Nordwest-Wind müssen wir ordentlich arbeiten und sind froh, als wir in Groß Schönebeck den Biergarten der WELTRAD-Manufaktur erreichen.

Wir wollen noch bis Magdeburg rollen und dann per Bahn nach Berlin zurückfahren. So kurven wir durch diverse Industriegelände und vergammelte Vorstadtbereiche von Süden nach Magdeburg hinein. Diese Stadt hat schöne und graue Seiten. Heute sehen wir mehr graues Magdeburg.

Dieser wunderschöne Jaguar aus den 40er Jahren wirkt völlig deplatziert in dieser Gegend. Noch 10 Kilometer bis zum Hbf. Magdeburg – Futter fassen bei McDonald und dann rein in den Zug – zurück nach Berlin.

2 Antworten auf “Spree-Neiße-Elbe Teil 2”

  1. Hallo Dietmar!
    Ich bin etwas durcheinander. Wolltest du nicht auch Paris Brest fahren.
    Weil jetzt der Bericht kommt Spree-Neiße-Elbe Teil 2 . Oder kommt da noch was !!!
    Wie immer von DIR super geschrieben mit tollen Bildern.
    Gruß aus SL
    Peter

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