Und weiter geht es mit den Rückblicken: Diesmal in den Februar 2017. Verdammt kalt war es geworden, Schnee war gefallen. Aber das war kein Grund, den Tag am heimischen Herd zu verbringen. Lest selbst:
Peter hat wieder mal eine Idee: Nach Küstrin mit der Bahn und dann nach Nordwesten an der Oder lang. Da waren wir doch schon lange nicht mehr.
Die Oderlandbahn bringt uns für bescheidene 11,70 € von Lichtenberg nach Küstrin. Die freundliche Zugbegleiterin, die schon seit drei Uhr in der Frühe „on tour“ ist, nimmt uns bis zum Endbahnhof Küstrin mit. Schon beim Blick aus dem gut geheizten Waggon bekommen wir einen Vorgeschmack von dem, was uns im Oderbruch erwartet: Schnee reichlich!
Vor dem Bahnhof posiert Peter samt neuem Helm und Probecrosser von ALAN. Ludovico Falconi hat 1972 seine Räder nach seinen beiden Kindern benannt: ALberto und ANnamaria. nachdem ich das ergoogelt habe, weiß ich endlich, was es mit dem Markennamen ALAN auf sich hat. So werden wir uns mit Ludovico und Alcide ( Basso) ins Oderbruch begeben. Doch zuvor locke ich Peter in die Festung Küstrin, wo schon Friedrich der Große eingekerkert war und am 6.November 1730 dabei zusehen musste, wie sein Jugendfreund Katte auf Befehl von Friedrich Wilhelm enthauptet wurde. Weil er Friedrich zur Flucht verhelfen wollte. Küstrin hat eine lange und grausame Historie.
Das Berliner Tor ist einer der restaurierten Bereiche der Bastion.
Dieser Sockel kündet vom Gründer der Festung, Johann Markgraf von Brandenburg- Küstrin ( 1513-1571).
Auf der Suche nach einer Gedenkplakette für den hingerichteten Katte suchen wir vergeblich. Nur den Kattewall bekommen wir zu Gesicht. Bei Schnee und Eis zeigt sich die Festung abweisend und unwirtlich. Das mag sich bei lauer Frühlingsluft anders anfühlen als heute, wo wir froh sind, endlich aus diesem Ruinenumfeld hinauszukommen. Die ersten Kilometer über Küstrin-Kietz an der Oder entlang können wir locker rollen. Die Straße ist freigeräumt. Doch wie immer bei unseren Winterausflügen – irgendwann wird es heftig.
Links eine fahrbare Sackgasse, rechts Schnee und Eis. Also erst mal den Rückwärtsgang einlegen und über einen gerade noch fahrbaren Deichweg nach Letschin balancieren. Das schult den Gleichgewichtssinn. Weg mit den Fingern von der Bremse.
In Sophienthal, einem winzigen Ortsteil von Letschin, finden wir an jeder Ecke blaue Fahrräder. Überhaupt ist hier mehr Blau als anderswo.
Das Kolonistendorf Sophienthal feierte 2016 sein 250-jähriges Bestehen. Und dies war dazu in der Märkischen Oderzeitung zu lesen:
Zum Dorffest hatten Rothmanns ein blaues Fahrrad mitgebracht und es versteigert. 36 Euro kamen zusammen, die in die Festkasse gehen. Familie Engel aus Sophienthal ersteigerte das Gefährt, wird es nun im eigenen Garten entsprechend platzieren. Rothmanns sind bereit, weitere blaue Fahrräder zu gestalten. Interessenten können alte Drahtesel zu ihnen bringen oder sich selbst versuchen. „Ich wünsche mir, dass viele mitmachen“, sagt der Ortsvorsteher.
Offensichtlich haben viele mitgemacht.
Die Fahrspur ist auf den nächsten Kilometern nach Kienitz ein paar Reifenbreiten frei. Das reicht für flottes Fahren bei spürbarem Rückenwind. Am Rand von Kienitz lehnt an einem Vorgartenzaun eine veritable Ski-Sammlung aus mehreren Jahrzehnten. Bunt und wunderbar passend zum heutigen Wetter.
Alcide und Ludovico stellen wir einfach in den Tiefschnee vor dem Kienitzer Panzer, den wir schon zu allen Jahreszeiten und bei allen Wettern passiert haben. Sollen wir es wagen? Am Oderdeich die nächsten Kilometer auf Eis und Schnee? Immer langsam voran, meint Peter, dann packen wir das schon.
In Groß-Neuendorf liegt das „Bahnhotel“ noch in tiefem Winterschlaf. Anders die Rehe und Wildgänse. Noch nie haben wir so viele Rehe im Rudel über die Felder rennen und Vögel auf den Feldern sitzen sehen. Warum rennen die so, wenn keiner sie verfolgt, das kostet doch nur unnötig Energie, fragt sich Peter. Uns verfolgt auch keiner, und wir verbrennen auch reichlich Energie.

Erst fahrbar, dann Probe für unser Fahrkönnen. Der Oderdeich hin nach Zollbrücke.
Oh Wunder, am Grenzpfahl Nummer 615, an der Deichscharte der ehemaligen Zollbrücke, hat das Gasthaus geöffnet. Wir können es kaum glauben. Die Gaststube ist geheizt, es gibt einen köstlichen Glühwein, danach eine heiße Wildgulaschsuppe, dazu die markigen Kommentare der Wirtin mit Ostcharme. Peter hatte gefragt: Haben sie einen Glühwein oder sonst noch was? „Glühwein könnse haben, sonstwat hamwa nich.“
Wir biegen in Zollbrücke ab nach Westen, der Weg am Deich entlang ist eisig, und wir wollen endlich wieder unverkrampft auf den Rädern sitzen. Quer durch das Oderbruch: Zäckeriger Loose, Neuranft, Schiffmühle. Winter im Oderland, fahles Licht, Wolkendecke mit Sonnenrand. Herrlich, wenn es nicht so kalt wäre. Wir lassen es zügig rollen bis nach Oderberg und bleiben dann auf der Hauptstraße. Eine gute Wahl! Es hat in diesem Streifen so reichlich geschneit, dass sich die Kiefernäste schwer nach unten biegen.
Der Oder-Havel-Kanal trägt dickes Eis.
In den Anstiegen der Oder-Abbruchkante können wir uns warmarbeiten. Die 20 Kilometer nach Eberswalde erscheinen uns doppelt lang.
8 % ??? Na, das ist wohl leicht übertrieben. Aber in die Waden geht der Anstieg schon. Eberswalde kommt irgendwann. 16.42 Uhr, und genau um diese Zeit fährt der RE3 nach Berlin. Wir sitzen gerade drin, als er schon losrollt. Gutes Timing. Nach 32 Minuten sind wir in Gesundbrunnen und gönnen uns Speis und Trank in der „Lichtburg“. Hier stand einmal in der Brunnenstraße, am Ku´damm des Nordens, der Kinopalast Lichtburg.
Da hätten wir einen schönen Eiskaffee trinken können. Das Café öffnet wieder ab März
Tolle Gegend. Kommt mir irgendwie bekannt vor 😉 Und das Cafe Himmel und Erde hatte noch geschlossen?