Ein harter Brocken – ein Blick zurück zum 600er im Jahre 2016 – schön war die Zeit!

Diesmal steht der „Höhepunkt“ der Brevet-Saison auf dem Programm: rauf auf den Brocken mit langem Anlauf. Rauf auf den höchsten Berg Norddeutschlands. Rauf auf 1142 Meter überm Meer.

„Viele Steine, müde Beine, Aussicht keine, Heinrich Heine“, so hat sich angeblich schon Heinrich Heine im Jahr 1824 im Gipfelbuch verewigt.

Zurück zum Start: Berlin zeigt sich an diesem Samstagmorgen von seiner freundlichen Seite. Milde 10 Grad zeigt mein Außenthermometer zu Hause um 5 Uhr, sanfter Nordostwind ist angekündigt. Niederschlag ist keiner zu erwarten. So packe ich eher dünne Sachen ein, trotzdem aber auch eine Regenjacke und Regenüberschuhe. Der Brocken ist immer für eine Überraschung gut!

Im Amstelhouse schreiben sich um die 40 bis 45 Starter in die Liste ein. Distanz und Streckenprofil haben für eine gewisse Selektion gesorgt.

625 Kilometer und ca. 4800 Höhenmeter sorgen für Respekt. Ralf ( 1001 Miglia Finisher), freut sich wahrscheinlich schon wie Bolle auf die ersten Anstiege.

Um kurz vor sieben machen sich die ersten auf die Strecke. Matthias, Peter und ich starten in der zweiten Gruppe zehn Minuten später.

Rainer gibt besonders im Gegenlicht der frühen Sonne ein wunderbares Fotomotiv ab. Die ersten fahren schon in „kurz-kurz“ ab. Mir ist es noch zu kalt – die Bein- und Armlinge bleiben erstmal dran. Entblättern kann ich mich noch früh genug bei der ersten Kontrolle in Beelitz.

Durchtrainierte Körper, definierte Waden – Der Kollege mit dem Regione-Piemonte-Fausto Coppi-Trikot hat augenscheinlich einen exzellenten Trainingszustand.

Um 8.53 Uhr erreichen wir Beelitz: Erster Stempel heute. Kein Kaffee, kein Brötchen, weiterfahren! Nur Peter verkündet, dass er umkehren will. Sein geliebtes iPhone will und will keine Netzverbindung aufbauen, und er hat wohl das mögliche Szenario einer Panne nachts mitten im Harz, allein auf weiter Flur, im Kopf. Ohne Telefon. Wir können ihn nicht überreden, weiterzufahren.

Auf den nächsten 80 Kilometern bis nach Zerbst bleibe ich eine Weile bei den Schnellen, lasse aber dann doch abreißen. Ich will und ich darf nicht meine Kräfte schon vorm Harz verpulvern. In Zerbst fülle ich meine Trinkflaschen auf – ich habe brav bis hierher 1,5 Liter Traubenschorle in den Körper geschüttet. Und ein Salamibaguette lacht mich an. Da muss ich gar nicht meine Vorräte angreifen. Lange Kilometer bin ich allein auf weiter Flur. Bin ich bei einem Brevet unterwegs?? Dann kommt die Elbfähre in Tochheim in Sicht. Schlechtes Timing: Die schnelle Gruppe hat soeben abgelegt und grüßt über die Elbe herzlich ( natürlich kein bisschen schadenfroh) zurück. So komme ich zu einer wohlverdienten Pause, reiße ein Snickers auf und vertilge es genüsslich. Matthias und ein weiterer Randonneur rollen heran.

Auf der Fähre sind wir dann zu dritt und wieder ein kleines Team. Zig Kilometer bin ich schon hinter, neben und selten auch vor Matthias mit seinem schnellen Troytec-Lieger gefahren.

Ein paar Kilometer weiter stehen wir unvermittelt in einer Baustelle.

Wo bisher eine Brücke stand, klafft jetzt ein Wassergraben mit herausstehenden Brückenstümpfen. Unser Begleiter meint trocken: Nimm dir ein Brett und schwimm rüber! Wir entscheiden uns für den Rückzug aufs Trockene und fluchen über den Zwangsumweg.

Bei der Suche der kürzesten Strecke hin zum Ursprungstrack lotse ich Matthias über einige Kilometer Plattenweg mittlerer Qualität. Als wir wieder „auf der Spur“ sind, dann die nächste Überraschung: Die Straße nach Calbe ist auch gesperrt. Weil wir nicht nochmal vorm Wasser stehen wollen, entscheiden wir uns, über Nienburg nach Staßfurt zu fahren, und werden dafür mit einer knackigen Baustellen-Pflasterpassage belohnt. Macht nichts, das härtet nur ab. Auf der Suche nach einem „Pausen-Café“ fahren wir und fahren wir und fahren wir. In Quedlinburg gönnen wir uns leicht gefrustet von der Anhaltinischen Servicewüste in einer Tanke Kaffee und Brötchen. Obwohl, das muss gesagt werden, die Altstadt von Quedlinburg überaus sehenswert und gastlich ist. Davon konnte ich mich in einem Kurzurlaub im  Jahr zuvor überzeugen. Heute haben wir es eilig und lassen das historische Kleinod links ( eigentlich doch rechts) liegen. Der nächste Kontrollpunkt ist Blankenburg am Fuße des Harzes. Kilometer 221. Um kurz vor fünf arbeiten wir uns bei Heimburg in die erste Rampe hinein. Matthias lässt mich langsam davonziehen. Schön, dass ich auf meinem „Upright“ auch mal einen Vorteil genießen darf. Den Berg hinauf muss Matthias hart arbeiten. Und aus dem Sattel gehen kann er auf seinem Lieger auch nicht. Was soll´s, sagt er sich und beißt sich in den Berg hinein.

Mein Freund Peter W. fährt dieses Mal nicht mit, hat aber für uns dafür eine besondere Überraschung bereit: Er hat auf dem Parkplatz in Schierke vor dem Brockenanstieg mit seinem Campingmobil Position bezogen. Heiße Bockwürste, Brötchen und kalte Getränke stehen für die Hinaufstrebenden bereit. DANKE!!! Peter, du hast uns einen großartigen Dienst erwiesen und bekommst den  Titel „Super-Service-Randonneur“.

Meine Satteltasche, Gewicht 2,6 kg, kann ich bei Peter im Bus deponieren und mir so den Aufstieg erleichtern. Die „Bergziegen“ sind schon wieder unten, als wir unten losfahren. Dafür sind sie im Gegensatz zu uns in einem typischen Brocken-Schauer richtig nass geworden. Uns bleiben Pfützen und aufsteigender Dampf.

Auf den ersten Kilometern beginnt die Steigung sanft – trügerisch! Ab 800 Metern Höhe wird es steiler, drei ganz fiese Rampen mit deutlich über 10 % sind zu drücken. Hier bereue ich, dass ich mein 32er Ritzelpaket doch nicht montiert habe. Mit max. 27 Zähnen ist es schon ziemlich hart. Aber ich komme ohne abzusteigen hinauf. Nur ein Foto von der querenden Brocken-Bahn muss sein.

Schnaufend und dampfend arbeitet sich die historische Lok den Berg hinauf. Ganz so wie wir auch.

Mein Endurace ruht sich am Brocken-Museum aus. Ein Stempel im Kontrollheft, den ich im „Touristensaal“ holen will, wird mir wegen akuter Überfüllung und Überforderung des Personals verwehrt. Knurrig gehe ich wieder durch die Wandertouri-Schlange nach draußen. Eine nette Dame macht dann ein paar Beweisfotos von mir. 260 Kilometer.

Heinrich Heine war schon 1824 hier oben. Im Gegensatz zu ihm kann ich eine herrliche Fernsicht genießen.

Und runter geht es wieder in wärmere Regionen. 10 Minuten Abfahrt, kalte Finger, kalte Nase. Beim Passieren des Brocken-Bahnhofs kommt mir Matthias entgegen. Chapeau! Mit dem Lieger hier hinauf zu reiten! Wieder in Schierke angekommen, gönne ich mir noch eine leckere Wurst aus Peters heißem Topf, befestige wieder mein neues Ortlieb-Saddle-Pack und mache mich nachtfein. Nach 15 Minuten bin ich – ab jetzt allein – wieder auf der Strecke. In Sangerhausen gibt es den nächsten Stempel. 75 zähe Kilometer quer durch den Harz – immer rauf und runter … Die untergegangene Sonne wird vom fahlen, durchscheinenden Mond ersetzt. Richtig stockdunkel wird es nicht. Die Straßen sind trocken, die Luft recht mild. Also gibt es keine Ausrede, diese Etappe nicht mit Anstand zu fahren. Eine kurze Pause lege ich in einer komfortablen Blockhaus-Bushalte ein. Fünf, sechs Lichtfinger erhellen die Straße, dann ein Ruf: „Dietmar, alles o.k?“ Alles gut, antworte ich wahrheitsgemäß. Ich meine Rainer erkannt zu haben. Immer fragt er mich zu den unmöglichsten Zeiten, an einsamen Orten nach meinem Wohlbefinden. „Es gibt keine Zufälle“,  danke Rainer!

Nach Sangerhausen rausche ich aus den letzten Hügeln von 500 auf 150 Meter Höhe hinunter. Die Supernova E3 habe ich ein klein wenig höher eingestellt als sonst. Eine klasse Fernsicht habe ich so und kann mit gutem Gefühl Speed machen. Genau in dieser Abfahrt muss es Matthias erwischt haben. Er ist gestürzt und hat sich Vorderrad und Bremse ruiniert, schreibt er mir per sms. Gottlob ist er heil geblieben und kann mit dem Zug nach Hause fahren.

Kontrollpunkt Nr.4: Die Dame von der Aral-Tankstelle zeigt sich auch um 1.24 Uhr bestens gelaunt, öffnet per Knopfdruck für den Kollegen mit Mercedes-Beresa-Trikot und mich die Schiebetür, drückt uns den Stempel ins Heftchen und serviert dann heißen Kaffee und Baguette. Köstlich! 347 Kilometer.

Bis hierher bin ich ohne große Pausen gefahren, nach den 70 Harz-Hügelkilometern sagt mir aber mein Körper, dass er jetzt sofort Ruhe braucht. Also frage ich die nette Tankwartin, wo ich in Sangerhausen eine schöne Sparkasse finden kann. Geradeaus, bis zum Kreisverkehr und dann noch 200 Meter – genau! In einer alten Villa prunkt die Sparkasse mit einem Vorraum der Luxusklasse. Warm, sauber, groß, ruhig. Nur ein wenig hart ist der Granitboden. Ansonsten top und ideal für ein Stündchen Ruhe. Guten Mutes starte ich danach in die letzte Harzetappe nach Ballenstedt. Nochmal 45 Kilometer „Harz querdurch“. Mit zwei Kurzpausen in Bushaltestellen und gefühlten 50 Anstiegen rolle ich vor dem Hotel „Auf der Hohe“ in Ballenstedt aus. Und wieder einmal werde ich mit überragender Gastlichkeit überrascht. Durch einen Seiteneingang dürfen die müden Randonneure ins Hotel hinein. Und als Luxus wird der Tresenraum einfach umfunktioniert zur Radler-Herberge. Die Wirtin macht mir einen Teller Soljanka warm, dazu trinke ich eine große Apfelschorle. Wunderbar! 390 Kilometer.

Beim Kauen und Schlürfen begleitet mich das Schnarchen und tiefe Atmen von Ingo, Andy, Ralf und noch drei weiteren „Harzer Rollern“. Was tun? Auch Ausruhen oder einfach weiterfahren und so wieder Anschluss an die Schnellen haben? Weiterfahren, sagen mir Körper und Wille. Ab also, raus in den frühen Morgen! Gegen sechs Uhr bin ich wieder auf Kurs.

Die Luft ist angenehm, die Kräfte kommen zurück. Nur 35 Kilometer bis Staßfurt, zur Kontrolle Nr. 7. Nur ein Stempel, sofort bin ich wieder auf dem Rad. 426 Kilometer. Es rollt! Ich nähere mich wieder der Elbe, passiere Aken und arbeite mich vor nach Dessau. Am Elbufer lacht mich dann eine versteckte Bank zum Kurzschlummer an. 20 Minuten runterkommen, das tut gut. Weiter nach Dessau, über die Brücke hinein in die Stadt zur Aral-Tanke. Ankunft 11.02 Uhr.

Hier wartet wieder ein Déjà-vu auf mich – in Form der dort pausierenden schnellen Truppe. Andy, Ingo, Ralf… Alle sind wieder beisammen. Nur ich habe ein paar Stunden weniger Schlaf bekommen als die Schnelleren. Wie lautet doch die alte Randonneurs-Weisheit: In den Pausen werden die Brevets entschieden. Leider komme ich gänzlich ohne Pausen auch nicht zurecht. Andere dürfen schneller sein! Aber ja doch, es sei ihnen gegönnt. 481 Kilometer.

Ich lasse die Gruppe fahren, verweile noch 10 Minuten und rolle dann wieder hinein in meinen Rhythmus. 100 Kilometer bis Trebbin, in fünf Stunden sollte das zu schaffen sein, auch mit leicht angebrauchten Kräften.

Passt! Um kurz nach 16 Uhr kommt die Total-Tanke in Trebbin in Sicht. Und wer steht schon wartend davor: Ja, die schnelle Truppe um Ingo, Ralf und dann auch Andy. 582 Kilometer.

Noch 42 Kilometer bis zum Ziel. Netterweise laden mich die Kollegen ein, die letzte Etappe im Windschatten mitzurollen. „Randonneurs-Solidarität!“ ich nehme das Angebot an, und wir kurbeln mit knapp unter 30 km/h gen Hauptstadt. Selbst in der Stadt geben die Kollegen noch mächtig Gas. Ampelstarts, Ampelhalt und immer wieder. Echtes Kraft-Ausdauertraining, und das nach mehr als 600 Kilometern. Ganz zum Schluss ruft Ralf zur Mäßigung. Die letzten drei Kilometer lassen wir ausrollen. Danke fürs Mitnehmen. Sonst wäre ich hier 30 Minuten später eingerollt.

Ein Dank geht hier an Gerhard, dessen kleine Foto-Dokumentation der Zielankünfte ich nutzen darf.

Was war das für ein Brevet! Knackig, fordernd, vielfältig, …625 Kilometer.

Heiße Lasagne, kühles Weizenbier, spendiert von Ralf! Ein runder Abschluss des Brocken-Brevets. Ein harter Brocken eben!

Danke an Ralf, Ingo und Klaus. Ihr habt uns wieder einmal an die Grenzen gebracht – und wieder zurück.

Die Dutch-Capitals-Tour, 1000 Kilometer Gegenwind, das Finish

Ich schiebe mein Endurace vor die Tür und gebe den nächsten Trackabschnitt als Ziel ein. 81 Kilometer sind es bis Almere. Ein Blick auf die Wetter-App zeigt noch Niederschlag, der scheinbar nach Osten abzieht. Also los in die Dunkelheit. Ein Kollege aus dem Team ist rausgekommen und zeigt mir den Weg hinaus aus dem Sportplatzgelände. Das ist Service, auch nachts um 0.15 Uhr.

Vereinzelt gischten Autos über die Straße. Große Pfützen stehen auf dem Radweg. Macht nichts. Die Regenüberschuhe halten meine Füße trocken. Mit sanftem Schiebewind nähere ich mich Enkhuizen. Hier fängt es wieder an zu tröpfeln. Weiterfahren! Um halb zwei kurbele ich auf den Houtribdijk hinauf. Über eine hell erleuchtete Schleusenanlage von beeindruckenden 125 m Länge führt der Weg auf den eigentlichen Deich. 25 Kilometer wieder mal: Wasser links, Wasser rechts. Nur ist es jetzt stockdunkel. Meine E3 weist mir den Weg durch die Finsternis. Es regnet wieder stärker, und ich bin froh, dass ich die wasserdichte Schirmkappe unter dem Helm aufgezogen habe. So bleibt die Brille trocken. Der Radweg auf dem Deich hat kaum erkennbare Markierungen, die Oberfläche ist mäßig. Komisches Gefühl: Das Wasser hören und nicht sehen. Kurbeln!

Es fängt an zu schütten. Ich versuche, das zu ignorieren – es ist ja warmer Regen. 17 Grad, mitten in der Nacht, und das am offenen Meer. Nach einer halben Stunde bleibe ich stehen und schaue mich um – keine Lichter von Kollegen zu entdecken. Keiner vor mir, keiner hinter mir. Der Deich gehört den Kaninchen, den Möwen und mir. Auf halber Strecke, irgendwann gegen zwei Uhr wird es im Nordosten heller. Die Sonne kann es noch nicht sein. Die Lichter von Lelystad? Aber der Schein geht so hoch hinauf über den Horizont! Wie eine riesige fliegende Untertasse, die ihr Licht breit, gelb-grünlich mit etwas Violett in den Himmel schickt. Eine halbe Stunde lang werde ich von diesem unglaublichen Spektakel unterhalten. Dann, als ich Lelystad erreiche und in Richtung Almere abbiege, wird es wieder dunkel.

Auf der Suche nach Aufklärung dieses Phänomens, stoße ich auf eine Seite eines niederländischen Fotografen: Er hat das Lichtspektakel dieser Nacht im Bild festgehalten. Es war ein Nordlicht, eine Aurora Borealis. Gar nicht so selten hier am Ijsselmeer.

Nordlicht

Foto: Gijs de Reike

Genau so habe ich den Himmel über dem Meer in Erinnerung, eingebrannt in mein Gedächtnis. Auf den nächsten Kilometern geht mir dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf, selten habe ich so viel Bewunderung und Ehrfurcht vor der Natur empfunden.

Diese Nacht ist lang, der Kurs hat wieder in den Wind eingedreht. Der Tacho pendelt um 16 bis 17 km/h. Irgendwann muss doch diese verdammte Kontrolle kommen. Um fünf stehe ich vor der hell erleuchteten Großtankstelle. Glücklich, dass die Bedienung gerade das Brot zum Aufbacken in die Röhre schiebt. Meine Regensachen hänge ich über einen Stehtisch, die Dame der Tanke lässt es geschehen. Zwei heiße Kaffee, Baguette mit Käse und Schinken, und dann fülle ich noch meine Vorräte auf. Gummibären, Snickers und eine große Tüte mit gesalzenen Cashewnüssen. Luxus pur!

Als ich aufbreche, rollen William und Rob um die Ecke. Rob hat auf dem nassen Deich sogar eine Schlafpause eingelegt. Na, hoffentlich bleibt er gesund!

Meine Kräfte sind zurückgekommen. Es kurbelt sich wieder leichter. 1258 Kilometer sind weggearbeitet. Nacken gut, Füße gut, Hände gut, Beine gut! Das mag der Randonneur.

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Kurz vor Utrecht hat es sich eine Schwanenfamilie auf Straße und Gehsteig gemütlich gemacht. Utrecht, Kilometer 1304, Amsterdam, Kilometer 1348, Harlem, Kilometer 1366, s`Gravenhage, Kilometer 1416.

Keine Lust mehr zum Fotografieren, alle Kraft auf die Pedale, alle Konzentration auf die ungezählten Ortsdurchfahrten, ungezählte Ampelknöpfchen, ungezähltes Ampel-Warten, ungezählte Verbundsteinpflaster-Kilometer in den Orten.

So schön ist Holland, so freundlich sind die Menschen, so vorbildlich die Radweg-Infrastruktur. Aber bei einem Ultra-Brevet über 1400 Kilometer will man irgendwann mal nur fahren, ohne Stopps!

Am letzten Kontrollpunkt, s`Gravenhage, rollt Peter Zinner just vor der Tanke aus, als ich wieder starten will. Wir freuen uns beide, denn die letzten Kilometer ins Ziel werden so kurzweilig, und die Schmerzen reden wir einfach weg! Peter spendiert eine kühle Cola als Anschub für die 11 Finish-Kilometer. Wir lassen es locker angehen. Die Sonne lacht, der Wind zeigt, dass er auch ordentlich schieben kann. Um kurz nach 16 Uhr rollen wir auf das Sportgelände in Zoetermeer. Klatschen, Rufen, Händeschütteln… Es ist vollbracht! Ein letzter Stempel ins Heftchen, dann ein Bier und erstmal einfach hinsetzen und zur Ruhe kommen.P1060423

Zufrieden! Der Peter aus Düsseldorf.

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Zufrieden!  Matthias , 92 h 30 Min.

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Auch Willam Dickey aus Irland ist im Ziel

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Und auch der „Deichschläfer“ ist gesund angekommen

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Mein Endurace hat die Strapaze mit Bravour gemeistert. Zuverlässig, komfortabel, leichtfüßig.

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102h 06 min – und fertig!

Mein feucht gewordenes Brevet-Heftchen hat der Veranstalter einfach zum Trocknen auf die Leine gehängt. Peter, der Dritte neben Matthias und mir in unserem Team, fightet noch auf der Strecke. Er beißt und beißt und beißt sich durch. Um halb zehn ist auch er im Ziel. Chapeau!

Die Bilanz:

45 Anmeldungen – 41 Starter – davon 27 im Ziel

> Der Schnellste: Ymte Sijbrandij 67:50 h mit Velomobil DF

> Matthias: 92:30 h mit Troytec Revolution HR

> Dietmar: 102:06 h mit Canyon Endurace CF Pro

Nicht nur Berge, auch Wind und Wetter können selektieren.

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Freude!

Unspektakulär wie die Dutch-Capitals-Tour begonnen hat, so endet sie auch: Zusammensein vor dem Clubheim, ein Bier trinken, Erlebnisse austauschen. Peter aus Düsseldorf macht sich fertig für die Fahrt zum Bahnhof. Er will noch heute Abend nach Düsseldorf zurück. Harter Junge!

Im Hotel gönnen wir uns noch ein paar Absacker-Biere. Ich schlafe schon an der Theke ein. Die Treppe hochstaksen und in tiefen Schlaf fallen. Morgen lacht wieder die Sonne.

Die Dutch-Capitals-Tour, 1000 Kilometer Gegenwind, Teil 1

Matthias war es: Er hat uns infiziert mit dem Erreger! Er hatte sich ihn schon 2012 eingefangen – bei der ersten Auflage der „Dutch-Capitals-Tour“. Mit Bravour nahm er die 1425 Kilometer unter die Räder, und ich las neidvoll und anerkennend seinen Bericht.

Dieses Jahr haben Matthias, Peter und ich uns angemeldet für die Auflage Nr. 2 vom 13.bis 17. Juli. Ich habe die komplette Brevet-Serie gefahren und noch reichlich mittlere Distanzen dazu. 9000 Kilometer habe ich in diesem Jahr schon in den Beinen und fühle mich gerüstet für mein Saisonziel:

1425 Kilometer am Stück, durch alle Provinz-Hauptstädte Hollands – „Dutch Capitals“ eben. Nicht viele Höhenmeter, kommentieren Kollegen. GPSies weist ca. 5900 Hm aus. Aber bekanntlich ist der Wind des Flachländers Berg! Und pusten kann es an Hollands Küsten mächtig – und regnen auch.

Am 12. Juli bringt uns Matthias in seinem Van komfortabel zum Startort Zoetermeer. Am schwierigsten gestaltet sich das Finden des Starts. Kein Hinweis, nichts! Nur ein großes Sportgelände, ein Hundetrainingsplatz und andere suchende Teilnehmer. Dann winkt uns ein Kundiger auf das Gelände, das mit einer Schranke abgesperrt ist: Jubel – hier steht das moderne Gebäude der „Toervereniging Zoetermeer ´77“ .

Wir werden herzlich empfangen, bekannte Gesichter von anderen Langstrecken-Brevets sitzen vorm “ bakje koffie“. Eine sehr persönliche, geradezu familiäre Veranstaltung ist das hier. 42 Starter sind eingetroffen, die Unterlagen werden ausgegeben, Guus van Charante erklärt die wichtigsten Regeln auf Holländisch und Englisch. „Bleibt auf den Radwegen!“, lautet eine deutliche Botschaft.

Alles wirkt unspektakulär, unaufgeregt – sehr beruhigend und angenehm. So ganz anders als bei „PBP“ mit über 5000 Teilnehmern und einer Riesenorganisation.

Am Mittwochmorgen finden wir uns dann gegen 9 Uhr am Startplatz ein. Sehr deutlich ist die Präsenz der schnellen Velomobile und der Liegeräder.

Auch Ymte Sijbrandij, der absolute Star der Velomobil-Rennszene, Weltrekordhalter, Weltmeister …, gibt sich die Ehre. Alle Räder sind langstreckentauglich, wenn auch die individuellen Lösungen sehr unterschiedlich daherkommen. Das Titanrad von William Dickies aus Irland – klassisch mit Carradice-Tasche am Sattel. Oder Matthias‘ Troytec mit den Taschen von Radical an den Seiten. Leo Försters  (Mr. PBP) Markenzeichen ist seit langem die Querstange mit Lampenkollektion und Garmin-Kamera.

Unter den Beifallsbekundungen von einigen Dutzend Zuschauern geht es pünktlich um 10 Uhr auf die ersten von insgesamt 1425 Kilometern. Ein frischer Westwind weht, das Thermometer zeigt 15 Grad. Sehr angenehm, besonders auf den ersten 50 Kilometern. Der Rückenwind schiebt gut. 27 km/h Schnitt trotz Ortsdurchfahrten und Zickzack-Kurs. Velomobile, Lieger und „Uprights“ sausen einträchtig über zum Teil schmale, aber gute Radwege. Südlich von Rotterdam dreht der Kurs dann in den Wind, und wir bekommen die Naturkräfte zu spüren. Schauerwolken türmen sich auf und lassen einen eiskalt klatschenden Regen auf uns niederprasseln. Einige halten an und ziehen die Regenjacken über. Ich fahre weiter. Kurz bevor Nässe und Kälte den Körper erreichen, lässt der Regen nach. Der Gegenwind trocknet uns wieder ab.

Beeindruckend sind die gewaltigen Hubbrücken, wo die Straße für die Durchfahrt riesiger Frachter mal locker 20 Meter nach oben gekurbelt wird.

Nach gefühlten 20 und realen 10 Minuten Pause stürzen wir uns wieder in den Gegenwind. Die Ortsdurchfahrten liegen hinter uns, das Deichland vor uns. Wir rollen zu dritt durch Dünen, über Brücken, am Deich entlang. Schafe knabbern Gras, Möwen fliegen elegante Schwünge. Schön ist das hier in Holland.

Nach 100 Kilometern hat der Veranstalter mitten auf dem Deich eine „Geheimkontrolle“ eingerichtet. Ein Stempel kommt ins Büchlein, der Name mit Zeit in die Liste. Hier soll keiner ungestraft die Hafenrunde um Rotterdam abkürzen können.

Jetzt beginnt Urlaubsfeeling. Weite Strände, Surfer, Badegäste –  fast vergessen wir den fiesen Gegenwind.P1060341P1060342

Wir haben unseren Rhythmus gefunden, kurbeln gleichmäßig. Vor uns schlenkert ein junger Bursche auf dem Deichweg mir einer Angel herum. Ich rufe: Achtung! Er dreht die Angel rechtzeitig zur Seite. Ein paar Meter weiter trifft mich ein klatschendes Etwas auf der Wade, ich drehe mich um – haben die Jungs eine Wasserbombe losgelassen? Nein, sie schauen nicht nur unschuldig, sie sind es auch. Es ist auch keine Wasserbombe, sondern fette, unfassbar stinkende Möwenkacke. Da hat mich doch wahrhaftig eine dicke Möwe aus vollem Flug heraus beschissen. Auch Matthias kann kaum glauben, wie heftig ich getroffen bin. Die Wade, die Socken, der rechte Schuh, die Ortlieb hat einen Streifschuss, Sogar die schöne DT-Swiss-Nabe ist grün bekleckert.

Erste Hilfe leistet Matthias mit einem Paket Feuchttücher. Wade und Hose sind wieder sauber. Der bestialische Gestank bleibt.

Um 17 Uhr erreichen wir Middelburg, die Hauptstadt der Provinz Zeeland. IMG_0830

Matthias ist bester Laune. Wir tun es ihm gleich – Trinkflaschen auffüllen, Kaffee trinken, süße Stückchen verspeisen. Weiter geht die Reise, ab jetzt mit dem Wind im Rücken. 64 Kilometer bis Ossendrecht. Das reiten wir locker ab. Um 20.30 Uhr rollen wir am Kontrollpunkt aus. Hier soll es eine erste Mahlzeit geben. Erwartungsvoll gehen wir in den Gastraum, bestellen Cola ( 0,2 l -Fläschlein), davon schlürfen wir gleich drei leer. Dann verkündet die Wirtin, sie müsse schauen, ob sie noch eine dritte Suppe hätte … Womit hat die gute Frau gerechnet? Randonneure sind hungrig! Nach 20 Minuten stehen unsere Suppen auf dem Tisch. Etwas dünn, aber dafür heiß.

Die nächste Etappe steht an: nach s`Hertogenbosch, der Hauptstadt von Nordbrabant. 104 Kilometer und immer noch leichter Rückenwind. Das wollen wir so lange wie möglich nutzen. Peter hat beschlossen, eine Hotel-Ruhepause in Breda einzulegen. Matthias und mir ist das zu früh für den ersten Tag, wir wollen die Nacht durchfahren und erst in der Folgenacht ein Hotelbett suchen. So verabschiedet sich Peter nach Breda, Matthias und ich   sind die Nachtfalter. Gleichmäßig und ruhig rollen wir über sattglatte Radwege. In Eindhoven erleben wir, wie Prioritätsschaltungen für Radfahrer funktionieren. Langsam an die Radfahrerampel annähern und Wupp, schaltet die Ampel auf Grün! So durchqueren wir zügig die nachtschlafende Stadt.

Um halb fünf beschert uns die aufgehende Sonne Morgennebel und eine echte Turner-Stimmung. Die Vögel sind schon lange aktiv und halten uns auf die beste Weise mit ihrem Gesang wach. Als nächste Provinz ist Limburg dran mit der Hauptstadt Maastricht. An der „Oude Maas“ entlang arbeiten wir uns nach Süden. Matthias würde gerne einen Tack schneller fahren, merke ich. Es läuft gut auf seinem Troytec-Lieger. In Susteren dann machen wir eine kurze Pause, ich etwas länger, und Matthias fährt jetzt voraus. Ich brauche hier eine kleine Auszeit. 20 Minuten später fühle ich mich schon deutlich erholt und steige wieder auf mein Endurace.IMG_0831

Auf dem Weg nach Maastricht und der Kontrolle in Eijsden wird es malerisch. Schmale Wege, Kopfsteinpflaster. Rauf und runter neben der Maas. Ich entscheide mich für den schmalen Pfad hinauf auf den Deich und kann ein paar Meter abkürzen. Psychologisch von Vorteil! In Eijsden ist die Stempelstelle eine Autobahnraststätte, die wir „durch die Hintertür“ betreten. Ein schmales Törchen ist geöffnet, ein paar Meter Matschweg, und schon stehe ich vor der Raststätte – und vor Matthias, der auch noch nicht lange hier ist. Km 469. Ab hier geht es hinein in die Limburger Hügel. Schließlich ist der nächste Kontrollpunkt auch der höchstmögliche in Holland. Stolze 325 Meter hoch. Das hört sich nicht besonders anspruchsvoll an, allerdings gibt es auf den 38 Kilometern einige fiese Rampen zu erklettern. Nach fast 500 Kilometern wird das zäh und tut richtig weh. William Dickey aus Irland sitzt hinter der Leitplanke und repariert seine gerissene Kette. Mein Mitgefühl hat er, helfen kann ich ihm hier nicht.

Matthias, Ed Dekker, Guus van Charante und ein paar weitere Randonneure kommen mir kurz vor dem „Gipfel“ schon wieder entgegen. Also bin ich nur ein paar Minuten hinten. Nicht so schlecht wie ich befürchtet hatte.

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In Vijlen ist die nächste Kontrolle und gleichzeitig eine Möglichkeit zu schlafen. Am helllichten Tag um vier Uhr nicht die ideale Zeit, aber ich brauche eine Auszeit. Matthias ist auch hier, und wir verspeisen köstliche Spaghetti. Während ich mich eine Treppe nach oben in ein spärliches Schlafgemach verziehe, geht Matthias schon wieder auf Strecke. Recht gemütlich ist es nicht. Der einzige nutzbare Platz ist der quer auf einem Zweiersofa. Knapp zwei Stunden ruhe ich hier und horche dem Schnarchen der Kollegen.

In der Nähe von Roermond, bei ca. km 600, will ich eine Hotelpause einlegen. Im „Asselt“ bekomme ich ein Zimmer – Dusche und Toilette auf dem Gang. Das Duschwasser ist heiß, wunderbar, der Schlaf tief und traumlos. Bis um drei. Dann klingelt der Wecker. Schließlich muss ich spätestens um 8.28 Uhr am nächsten Tag in Arnheim sein. Km 674!

Erfreulich erholt und frisch starte ich in die Morgendämmerung. Es rollt! Arnheim erreiche ich gegen 8.15 Uhr. Provinz Gelderland.

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Endurace an lila Scheibenreiniger – Eine Art Screenwash könnte ich hier auch vertragen

Jetzt bin ich wieder „bei der Musik“. Der nächste Punkt ist Hengelo, km 765. Die psychologisch wichtige Halbzeit der Tour. Mit leichtem Rückenwind kann ich wieder Zeit gutmachen. In Hengelo habe ich wieder ein Polster von drei Stunden, in Zwolle bei km 850 dann wieder fünf Stunden. Das beruhigt ungemein! Am Deich nach Zwolle haben zwei Velomobilfahrer ihr Lager aufgeschlagen:P1060360

Um 19 Uhr rolle ich in Zwolle aus. Hier gibt es auch die Möglichkeit zu schlafen, aber ich will den noch deutlichen Rückenwind nach Emmen hin  nutzen. So lange er noch weht. Also verspeise ich köstliche Pasta, genieße die überaus herzliche Gastfreundschaft des Teams, sitze 20 Minuten auf einer weichen Couch und mache mich dann wieder auf den Weg. Ich fühle mich noch gut: keine Schmerzen, der Nacken macht gut mit, nur die Hände sind etwas taub.

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Mit Sonne und Wind im Rücken ist das Fahren der reine Genuss. In sanften Schwüngen über die Deiche durch ein herrliches Naturschutzgebiet. Reiher, Schafe, Kühe, Ziegen – alle in sanftem Abendlicht.

Vor mir fährt William Dickey, ein Randonneur aus Irland, den ich bis zum Ende der epischen Tour immer wieder treffe.

Am liebsten würde ich bis zur nächsten Kontrolle in Emmen fahren, km 936, aber das wird wohl zu spät für die nächste geplante Hotelübernachtung. Also rufe ich Jutta an und nehme ihre bekannt guten organisatorischen Fähigkeiten in Anspruch. 20 Minuten später hat sie ein ein Hotel in Coevorden gefunden und gebucht. 20 Kilometer vor Emmen. Top!

Um 22.55 Uhr stehe ich vor der Eingangstür des Best Western. Das Endurace darf ich auf mein Zimmer mitnehmen. Der Portier zapft mir noch als Schlummertrunk ein großes Bier. Auf dem Zimmer, raffe ich mich noch auf, Trikot und Unterhemd zu waschen, dann falle ich in Tiefschlaf, bis der Wecker um 4.45 Uhr klingelt. Um Fünf bin ich wieder erholt und ausgeruht auf der Piste. Diese Art von Pausen- und Schlafmanagement scheint sehr gut aufzugehen. Nach fünf Stunden Tiefschlaf gibt es so eine Art Reset für Körper und Geist. Es geht frisch wieder von vorne los. So hatte ich mir das erhofft.

Mehr als die Hälfte der Strecke ist geschafft. Ich fühle mich gut, habe keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, aufzugeben. So kann es weitergehen.

FOLGE ZWEI kommt morgen. Bleibt neugierig!

Die Dutch-Capitals-Tour, 1000 Kilometer Gegenwind, Teil 2

Fünf Stunden Tiefschlaf liegen hinter mir, ein Snickers aus meinen Vorräten muss als Frühstück reichen. Die Trinkflaschen sind gefüllt – die Powerbar-Elektrolyttabletten lösen sich gut im Wasser auf, das Gesöff – Mango – schmeckt mir auch am dritten Tag noch gut. Drei von diesen 10er Röhrchen habe ich mitgenommen. Eine gute Wahl, denn Wasser bekommt man überall zum Mixen. Der Wettergott meint es immer noch gut mit uns, frischer Wind aus WNW und Sonne. Bis zur Kontrolle Emmen sind es ca. 20 Kilometer. An der Straße sind große Umleitungsschilder aufgebaut. Keine Durchfahrt nach Emmen, auch für Radfahrer nicht?! Von solchen Hinweisen lasse ich mich schon lange nicht mehr beeindrucken. Notfalls nehme ich mein Endurace auf die Schulter und klettere über Barrieren. Ausnahmsweise habe ich mein Oregon auf „Routing Fahrrad“ eingestellt bis zum Kontrollpunkt. In Holland und ausgerüstet mit der „Open-Fiets-Map“ habe ich innerhalb von Orten beste Erfahrungen gemacht. So auch diesmal. Auf schmalen Wegen lotst mich das System direkt nach Emmen, km 936. Nix mit Umleitung. Die meisten Kollegen sind hier 10 km länger unterwegs. So treffe ich an der Tanke wieder einmal William Dickey, der am Vorabend gesehen hatte, dass ich im Best Western verschwand – dann ist er auch noch reingeschlüpft.

Der nächste Wegpunkt ist nur 39 Kilometer entfernt: Assen, die Hauptstadt der Provinz Drente. Auch auf diesem Abschnitt Schilder mit „Umleitung – auch für Fietser keine Durchfahrt“ Doch! Eine kurze Tragepassage, dann geht es auf frischem Asphalt weiter.P1060378P1060379

„Bescheidene Kirchen, bescheidene Häuschen“ – nein: auf dem Weg nach Groningen gibt es wahre Pracht zu sehen. Landhaus reiht sich an Landhaus. Im Vergleich zur eher kargen Provinz Limburg strahlt hier alte, reiche Pracht.

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Groningen, 1001 Kilometer! Diese pschychologische Mauer ist geknackt.

Ein Prachtjuwel mit gold’nem Rand,
ist Groningen, Stadt und Ommeland;
Ein Prachtjuwel mit gold’nem Rand,
ist Groningen, Stadt und Ommeland!

Dort lebt solide Gediegenheit,
der Wille, hart wie Stahl,
dort fühlt das Herz, was die Zunge spricht,
mit direktem, schlichtem Wort.

Dort tost die See, dort heult der Wind, …

So ist es im Groningen-Lied zu lesen. „Dort heult der Wind“ passt besonders gut auf den heutigen Tag. Der Track führt ab jetzt nach Westen – hin nach Leeuwarden. Keine schützenden Wälder, freies Weideland, immer den Pustewind auf der Nase. Und das 70 Kilometer weit. Diese Kilometer werden elend zäh. Kaum einmal zeigt der Tacho mehr als 20 km/h, meistens pendelt die Geschwindigkeit um 17-18km/h. Ich beschließe, damit zufrieden zu sein, mehr geht halt nicht. Und auch so werde ich die nächste Kontrolle erreichen. Mit dieser Einstellung fällt das Langsamfahren leichter.

Zwei Velomobile arbeiten sich langsam an mir vorbei. Sie spüren den Gegenwind kaum. Aber die Piloten der Geräte haben auch nicht mehr viel Power in den Beinen. Bei ihnen ist der unvermeidbare William D.

Matthias hat mehr als 40 Kilometer Vorsprung – auch er hat sich eine Schlafpause von sieben Stunden gegönnt. Er ist bereits in Leeuwarden und auf dem Weg zum Verbindungsdeich. „Wir sehen uns in Hoorn“, schreibt er per sms. So optimistisch bin ich nicht. Mit seinem Lieger hat er doch deutliche Vorteile beim Fahren gegen den Wind.

Leeuwarden, km 1069, Tanke, Sandwich essen, Kaffee trinken.P1060390

Ed unterhält sich mit einem Kollegen, der sein eigenes Servicefahrzeug dabei hat. An den offiziellen Kontrollen ist Unterstützung zulässig. Aber trotzdem nicht so gern gesehen. Ich kann auch profitieren, denn „die Dame des Hauses“ spendiert mir eine frische Füllung meiner Trinkflaschen. 20 Kilometer weiter, in Harlingen, prangt ein riesiges, gelbes „M“, dem ich nicht widerstehen kann. Vorteil von Fastfood ist, dass es eben „fast“ geht. Und so was schätzt der Randonneur. Genauso wie den reichen Kaloriengehalt der Mahlzeiten und die gute Verträglichkeit von Cola bei Belastungen. Bei Langstreckenfahrten mit extrem hohem Energieverbrauch bin ich ausnahmsweise regelmäßiger Gast bei „McD“.

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Im kleinen Örtchen Zurich ( witzigerweise steht an der Straße auch ein „Bankhaus Zurich“), beginnt der Abschlussdeich. 32 Kilometer lang, 90 Meter breit, eröffnet im Jahre 1932. Immer geradeaus, immer gegen den Wind, der passenderweise von West jetzt auf Südwest dreht. Wieder genau von vorn also. Rechts Wasser, links Wasser, und das zwei Stunden lang.P1060398P1060399

Auf der Hälfte der Distanz klettere ich samt Endurace auf die Deichkrone. Ein Foto muss sein.

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Ansonsten ist dieser Abschnitt eher langweilig, dafür umso kraftraubender.

Am Denkmal für den Ingenieur Lely vorbei wieder ans Festland. Hier knickt der Kurs nach Süden, und die Gegenwindpein wird erträglicher. dafür warten zig Kilometer Rau-Asphalt – immer geradeaus.P1060411

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In Hoorn, km 1177, wartet die nächste Kontrolle mit Schlafmöglichkeit. Gegen 20 Uhr treffe ich ein und gönne mir erst einmal ein Festmahl aus Pasta und Tomatensuppe. Das Team ist auch hier umwerfend freundlich und hilfsbereit. Matthias treffe ich hier nicht mehr an, er ist schon zwei Stunden früher wieder auf Strecke gegangen. Er will und muss nicht schlafen. Ich hingegen bin froh, mich eine Treppe höher in einen großen „Matratzenraum“ verziehen zu können. Drei bis vier Stunden will ich ruhen. Peter arbeitet sich derweil noch auf dem Abschlussdeich ab. Nachdem ich aber auf einer Riesenluftmatratze, groß wie ein Schlauchboot, keinen Schlaf finde, klettere ich gegen Mitternacht wieder nach unten und packe meine Sachen. Draußen hat es begonnen zu schütten. Erfreulicherweise sagt das Wetterradar, dass das Regengebiet vorbeigezogen sei. Trotzdem Regenklamotten an, schließlich fahre ich in der Nacht. Und was gegen Nässe schützt, schützt auch gegen Kühle.

Für die folgende Nachtfahrt ist der Nässeschutz äußerst gefragt!

Mehr darüber in Teil 3

Paris–Brest–Paris, en route

Nur nicht schon auf den ersten Metern in den Dreck fallen – ich bin froh, als meine J-Gruppe endlich das Parkgelände verlässt und die Landstraße erreicht. Manche machen schon jetzt mächtig Druck und rauschen mit über 30 km/h los. Andere sind dabei, sich zu finden, fingern am Gepäck herum und machen dabei unfeine Schlenker. Schließlich beruhigt sich die Gruppe und findet zu einem auch für mich verträglichen Tempo. Genau um 18.16 Uhr bin ich über die Startlinie gerollt, sehr professionell, wie die Veranstalter es schaffen, entspannt und ohne Hektik, aber trotzdem genau im Zeitplan die Akteure loszuschicken. Die machen das gerne, und sie machen es sehr gut! Mein Tempo finden, meinen Rhythmus – das habe ich mir fest vorgenommen. Aber es ist schwer, und es fällt schwer. So bin ich auch bei meinem dritten PBP etwas zu schnell unterwegs, die Gruppe läuft sehr gut, und ich kann, ohne mich zu plagen, dranbleiben. Angenehme Sache bei dem spürbaren Westwind, der auf dem freien Feld noch deutlicher wird. Da ist der breite Rücken des vor mir fahrenden Mid-Essex-Randonneurs ein schönes, kraftsparendes Schutzschild. Rechts vor mir erkenne ich an den Füßen ohne Socken Wolf aus Berlin. Der ist immer recht zügig und zuverlässig unterwegs. Vielleicht kann ich eine Weile mit ihm mithalten.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Die Sonne taucht die Felder in mildes Abendlicht, die Reifen surren, es wird kaum geredet im Peloton. So darf es weitergehen. Der erste Verpflegungspunkt ist Mortagne bei km 118. Gegen 21 Uhr wird die Sonne hinterm Horizont verschwinden, und die erste Nacht wird beginnen. Schon auf den ersten Kilometern wird aufs Neue klar: PBP ist ein welliger Kurs – ein stetes, immer wiederkehrendes Auf und Ab. Raufkurbeln und hinunterrauschen. Bei eingeschalteten Lichtern markieren die vor mir Fahrenden den Straßenverlauf und die Anstiege in Form einer roten Perlenschnur. In den Abfahrten überhole ich mühelos die vor mir Fahrenden. In den Anstiegen geht es wieder umgekehrt. Eine große Gruppe „Gelbwesten“ bleibt über 50 Kilometer beisammen. Dann, in einer schnellen Abfahrt, spüre ich einen Arm in meiner rechten Seite. Ich halte gegen, komme aber immer weiter auf die Gegenfahrbahn. Verdammt, will mich der Typ vom Rad holen?! In letzter Sekunde kann ich mich lösen und wieder in die sichere Spur finden. Mein Adrenalin ist in Sekunden hochgeschossen, und ich brülle den „Drücker“ an. Er, ein Japaner, entschuldigt sich vielmals. Sekundenschlaf? Einfach unkonzentriert? Ich werde es nicht erfahren. Wichtig ist, ich sitze noch auf dem Rad, und das Adrenalin kommt wieder runter. Durchatmen, es ist nichts passiert.

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Wir fahren hinein in eine Mondnacht, fahles Licht. Grün-, Braun- und Grautöne lösen die satten Farben des Tages ab. Hügel rauf, Hügel runter. Die Beine arbeiten gut. Um kurz nach 23 Uhr erreiche ich Mortagne. Ich liege eine Stunde vor meinem Zeitplan – beruhigend. Es ist kühl geworden, Zeit, die Jacken überzuziehen, die Beinlinge auszupacken und dann dem Körper einen kleinen Imbiss zuzuführen. Ein großer Kaffee, ein Schinkensandwich, dann drängle ich mich wieder raus. Viele machen hier eine ausgiebige Pause oder liegen schon erschöpft auf dem kühlen Boden. P8184604.jpg

Ich fülle meine Trinkflaschen auf und werfe die Powerbar-Mango hinein. Gut für den Mineralienhaushalt, und schmecken tut es auch.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

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“ Warum wurde 1932 die Gangschaltung erfunden? Damit die Hügel von Perche leichter erklommen werden können“

Jetzt weiß ich das endlich auch.

Es dauert ein paar Minuten und ein paar Höhenmeter des nächsten Hügels, bis meine Wohlfühltemperatur wieder erreicht ist. Das Feld zieht sich jetzt weit auseinander, aus der Lichterkette werden Lichtpunkte. 100 Kilometer durch die Nacht und ins Morgengrauen hinein bis zur ersten echten Kontrolle in Villaines Juhel liegen vor mir. Ich fühle mich gut, es kann weitergehen. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

2.25 Uhr: Teck Meng aus Singapur hat sich neben seinem Colnago auf dem blanken Stein des Bürgersteigs abgelegt. Die Lichter brennen noch.

Zum Morgengrauen hin sinken die Temperaturen bis in den einstelligen Bereich. Ohne Rettungsdecke oder gar Biwaksack können Liegepausen auf dem ausgekühlten Boden böse Folgen haben. Also entweder rauf auf eine Bank oder rein in eine wärmende Decke. Meine Gedanken scannen noch einmal den Zeitplan ab. Das Tal der Sarthe habe ich gequert, noch 50 Kilometer bis Villaines. Ich erinnere mich an die leckere heiße Suppe, die ich 2015 hier genießen konnte. Vorfreude! OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Endlich, um kurz vor fünf Uhr, das Leuchtfahrrad am Stadtrand von Villaines la Juhel! Die Ortsdurchfahrt ist schmal und vollgestellt mit Absperrgittern und langen Stangen, zum Dranhängen der Räder. Gedränge. Rad abstellen, Treppe rauf zur Kontrolle, Trinkflaschen wieder füllen. Die Suppe gab es doch vor vier Jahren auf der anderen Straßenseite?! Dieses mal aber leider nicht. Nur nicht anfangen, auszukühlen, sage ich mir. In Bewegung bleiben. Zur Not tut es jetzt auch ein dicker Eiweißriegel aus meinem Proviant.

Die Blautöne des Morgengrauens werden zum zarten Rot des nahenden Sonnenaufganges. Nebelschwaden liegen im Bachgrund. Der wunderbar würzige, weiche Pié-d’Angloys-Käse kommt genau aus dieser Region. Ich träume von  einem  Frühstück mit frischem Baguette und Käse und Kaffee. Der nächste Kontrollpunkt ist die alte Festungsstadt Fougères in der Bretagne bei Kilometer 306. Mindestens vier Stunden noch im Sattel aushalten, dann winkt um die Mittagszeit eine ordentliche Mahlzeit. In Le Ribay, wo der Track die N12 kreuzt, haben Fans eine riesige Skulptur aus Fahrrädern, Flaggen und Lampen aufgebaut:

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Ich versuche, auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Kaffee zu ergattern, aber die Warteschlange vor dem Stand lässt mich wieder auf den Kurs abdrehen. Drei Datteln und ein großer Schluck aus der Pulle müssen auch reichen für die nächsten Kilometer. Reicht aber nicht! 30 Kilometer weiter, auf halbem Wege nach Fougères, bekomme ich weiche Knie und rolle in eine Einfahrt zu einem Bauernhof hinein. Kein Mensch ist hier zu sehen, nur zwei zufrieden kauende  Rinder stehen im Garten. fullsizeoutput_50dd

30 Minuten Ruhe und Flachliegen  gönne ich Körper und Seele. Gerade noch rechtzeitig nach 15 Stunden. In Fougères fahre ich um 11.15 Uhr über die Zeitmess-Schwelle. Wasser ins Gesicht, Hände waschen, Zähne putzen, Toilettengang. Dann widme ich mich der Speisekarte:IMG_0970.jpg

Ich wähle Omelette Nature mit Kartoffeln, dazu Cocktail de Fruits, ein halber Liter Apfelschorle ergänzt das Menü. Rundum satt und zufrieden verlasse ich nach 20 Minuten die gastliche Stätte und schlage mein Lager unter den schattigen Bäumen vor der Halle auf. Kaum liege ich flach, kommt Otmar aus Potsdam um die Ecke. Welch freudige Begegnung! Ich erinnere mich immer noch gern daran, wie er mir bei einer Abschlussveranstaltung generös zwei sehr gut erhaltene Campa-Record-Kettenblätter schenkte, die in seinem Keller nach eigenen Aussagen sonst verstaubt wären. Hab Dank, Otmar. Hier in Fougères wartet er auf den Kollegen aus Potsdam, der das erste Mal bei PBP dabei ist und den er begleitet und betreut.

Erst um kurz vor 13 Uhr sitze ich wieder auf meinem Endurace. Schon 54 km weiter wartet Tinteniac, das ich um 15.15 Uhr erreiche. 20 Minuten später kurbele ich weiter, die Trinkflaschen sind aufgefüllt, ich fühle mich gut. Jetzt kommt nach den vielen Geländewellen der erste längere Anstieg zum Sendemast bei Bécherel, einem kleinen Ort mit 660 Einwohnern, aber 15 Büchereien! Ich fahre trotzdem ohne anzuhalten durch das charmante Dörfchen und genieße die herrlich glatte und leicht abfallende Straße.

In Le Parson haben die Anwohner traditionsgemäß wieder einen Verpflegungsstand aufgebaut. Kaffee trinken, Trinkflasche füllen, Gebäck knabbern.

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Wo wäre ich wohl geblieben, wenn hier wirklich Champagner aus der Flasche strömen würde?!

Die Sonne sinkt langsam hinunter auf den Horizont. Um 19.30 lege ich mich in Ménéac für 20 Minuten unter riesigen Stieleichen und einem historischen Kreuz auf eine schattige Bank. Die Randonneure ziehen vorbei, derweil ich die müden Beine hochlege. IMG_0980.jpg

Zwei Stunden später erreiche ich Loudéac, km 445. Die Sonne geht zum zweiten Mal unter. fullsizeoutput_50e7

21.30 Uhr, bei Kontrolle Nr. 4 bin ich 30 Minuten hinter meinem Zeitplan. Stempel holen und zügig weiterfahren, heißt das. Es geht hinein in die zweite Nacht. Als ich meine Nachtbekleidung anziehe, die Beinlinge überstreife, sehe ich Claus, den alten Recken, auf einer Bank sitzen. Auch er macht sich nachtfertig.72AC05B6-0B1B-4AF4-BDF5-981F371697D5.jpg

Claus aus Hamburg ist der Gründervater der deutschen Randonneursbewegung. Er hat schon PBP absolviert, als ich noch nicht an Langstreckenfahren dachte. Und ein paar Jahre älter als ich ist er auch. RESPEKT! Gemeinsam rollen wir aus dem Ort hinaus, in der Hoffnung, ein kleines Restaurant zu finden, in dem wir ohne Warteschlange eine Kleinigkeit zu uns nehmen können. Kurzum, eine Warteschlange gibt es in dem Gasthof nicht, allerdings sind die Tagliatelle, die draußen beworben werden, nicht mehr zu haben. Schließlich müssen wir uns mit einer Portion Pommes zufriedengeben. Bei Claus rumort der Magen, er reagiert empfindlich auf die Kühle der einbrechenden Nacht. So machen wir ein paar Minuten länger als geplant Pause und verlassen dann die wenig gastliche Stätte. Claus will in St. Nicolas-de-Pelem eine Schlafpause einlegen. Dieser Planung schließe ich mich gerne an, schon auf halbem Wege nach Carhaix ist das ideal, um ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Zuerst rausche ich recht schnell in eine kleine Abfahrt hinein – meine E3 Pro plus Lupine Piko machen die Nachtfahrt zum Genuss – dann verliere ich Claus aus den Augen. Ich meine, dass er mich in einer der folgenden Rampen wieder überholt, bin mir aber nicht sicher. Um 01.40 Uhr rolle ich in St. Nicolas aus. Hier haben die Organisatoren eine „Controle surprise“ eingebaut, wie der Kollege, der mir den Stempel in mein Brevet-Heft drückt, verschmitzt bemerkt. Dann gehe ich hinüber zur Halle, wo die Schlafliegen aufgebaut sind, und sage an, dass ich zwei Stunden schlafen will.

Schon nach gut einer Stunde werde ich geweckt. Grrrr! Die Kollegen haben wohl die falsche Zeit notiert gehabt. Was soll es, denke ich und mache mich wieder fahrfertig. Carhaix bei km 521 ist die nächste Kontrolle. Ich werde spürbar langsamer, und die Rampen kommen mir immer steiler vor. Wer hat diese fiesen Hügel hier aufgeschüttet, die waren doch vorher nicht hier. Endlich, um 5.30 Uhr, erreiche ich Carhaix. 15 Minuten später bin ich schon wieder unterwegs. Die Morgendämmerung und die aufgehende Sonne verleihen neue Kräfte. Dann kommt ein echter „magic moment“, als ich in Huelgoat beschließe, auf den Marktplatz des Örtchens zu fahren. Ein kleines Hotel hat die Pforte geöffnet, und ich bekomme einen ultrastarken Espresso und dann ein herrliches Croissant. Meine Morgentoilette kann ich hier auch komfortabel erledigen. P8204665.JPG

So gestärkt steige ich eine halbe Stunde später wieder aufs Rad und kann mich geradezu freuen auf den Anstieg zum Roc’h Trévezel, den mit 384 m höchsten Punkt von PBP. Hört sich nicht gerade gewaltig an, beißt aber ordentlich in die Waden, wenn man schon gefühlt 100 Wellen der Bretagne abgeritten hat.

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Drunten im Tal wallt der Nebel. IMG_0984

Begleitfahrzeuge haben Aufstellung genommen, versorgen die eigenen aber auch die „fremden“ Fahrer. IMG_0991.jpg

Ein Franzose mit aufgepflanztem Eiffelturm und Tricolore zieht vorbei. Ein paar hundert Meter weiter geht es endlich hinunter in Richtung Brest.IMG_0992.jpg

Nicht zu früh freuen, das habe ich in den vergangenen Jahren gelernt, als ich dachte, ich sei schon fast in Brest. Einige üble kurze und lange Rampen warten noch, bis die legendäre Brücke erreicht ist.IMG_1001

Zugegeben, ich habe auch schon mal frischer ausgesehen.

Mit dem Glockenschlag um 12 Uhr überfahre ich die Zeitnahme in Brest und halte mich an der untypisch gar nicht so gastlichen Kontrollstelle, die Halbzeit und Umkehrpunkt von PBP ist, nicht lange auf. Ich ziehe eine schöne Boulangerie auf dem nächsten Hügel vor, die leckere Baguette und guten Kaffee zu bieten hat.

Schon geht es wieder rauf auf den Roc, an dem sich heute einige Gleitschirmflieger in Hangwind und Thermik tummeln. Knapp 100 Kilometer weiter, wieder in Carhaix, wartet die nächste Kontrolle auf dem Rückweg. Eigentlich sollte das Rückenwind geben und  Motivation. Stattdessen werde ich immer langsamer. Gefühlt sind alle anderen schneller als ich. Was ist los mit dir, frage ich in mich hinein. Und finde keine Antwort. Als wenn mir eine unbekannte Hand den Stecker gezogen hätte. Weiterfahren, sagt mir der Kopf. Ins Gras legen, sagen die Beine! 30 Kilometer vor erreichen von Carhaix lege ich mich dann wirklich ins Gras und schlafe eine Stunde lang. Und wache auf, ohne mich erholt zu fühlen. Ist es das Alter? Ist es der Schlafmangel? Kann ich nicht mehr schnell genug regenerieren? Vielleicht ist es eine Mischung von allem. Ich erwische mich dabei, im iPhone und Booking.com nach einem Hotel in der Nähe zu suchen. Jetzt fehlt jemand, der mich in den Allerwertesten tritt. Oder ist es vielleicht genau das Richtige, hier und jetzt aufzuhören?! Der innere Kampf dauert nicht lange. Der Schweinehund trägt den Sieg davon. In Carhaix angekommen, gehe ich zu den netten Herren in der Kontrolle und gebe meine Aufgabe bekannt. „Abandon“ trägt der Grauhaarige um 20.55 Uhr in mein Brevetheft ein. Ich bin nicht traurig, ich fühle mich eher erleichtert, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Ohne echte Not, ohne Schmerz. Aber trotzdem.

Mit meiner Frau habe ich im Vorfeld des Entschlusses telefoniert. Sie ist erleichtert. Sie bestärkt mich darin, genau hier den Punkt zu setzen. IMG_1006.jpg

Dann kurbele ich geradezu leichtfüßig in das Hotel Noz Vad. Das Bier schmeckt wunderbar, die Dusche ist wohltuend, das Bett fühlt sich an wie das Paradies.

Morgen werde ich ausgiebig frühstücken und schauen, wann ein Zug in Richtung Paris fährt. Aber davon im „Epilog“ mehr.

 

Das 300er Brevet – Sonne pur!

13 Stunden Sonne, 22 Grad, ein laues bis frisches Lüftchen, so sieht die Wettervorhersage für den 21. April aus. Und so wird das Wetter auch. Zur Freude der ca. 100 Randonneure und Randonneurinnen, die sich schon um vor sechs Uhr im Amstelhouse in Berlin-Moabit eingefunden haben. Oldies, Youngsters, Speedsters… alle Kategorien sind stark vertreten.

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Rafal und Andy sind wie immer zu Späßen aufgelegt
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Gerald hat es heute wieder einmal eilig. 35,4 km/h in Bewegung resummiert STRAVA am Abend für ihn. Chapeau! Brevets sind zwar keine Rennen, aber es ist schön, wenn jemand so souverän und schnell unterwegs ist ( gemeinsam mit Tom)

Auch vor dem Start wird schon geflickt – In diesem Fall ein schlechtes Omen – nach 120 Kilometern sehen wir den Kollegen wieder, diesmal flickend am Wegesrand. 30425321_10155789892990432_5294638898529482_o

Wolfgang und ich starten in der zweiten Gruppe um 7.10 Uhr Beim Ampelhopping nach Süden, hinaus aus der großen Stadt, wird gequatscht, wird erzählt was die Vorhaben für das Jahr sind und auch, welche Heldentaten 2017 vollbracht wurden.

In Stahnsdorf beträgt unser Schnitt gerade einmal 22,5  km/h. Doch das sollte sich rasch zum Schnelleren hin ändern. Der Wind schiebt sanft aber spürbar aus Nordwest, und der Speed unserer Gruppe mit Rainer an meiner Seite pendelt immer um die 30-35 km/h. Die Tankstelle in Trebbin erreichen wir schon um 8.45 Uhr. Stempeln und sofort wieder aufsitzen. Zwei- dreimal müssen wir eine typische Flämingwelle wegdrücken, dafür geht es nach Dahme hin schön abwärts mit 35-40 km/h.fullsizeoutput_3d20 Kontrolle Nr. 2 ist „frei“, das bedeutet, wir müssen uns den Stempel irgendwo in diesem Ort holen. Gar nicht so leicht dieses Mal, denn die Durchgangsstraße ist auf ganzer Breite aufgerissen, die Geschäfte darben, und der Bäcker, den wir zum Stempeln heimsuchen, bietet die spärlichste Auswahl von Brot und Kuchen, die ich jemals gesehen habe. OLYMPUS DIGITAL CAMERADie beworbenen Kuchenbrötchen sehen erbärmlich aus – ich ziehe es vor, mein mitgebrachtes Käsebrötchen zu verspeisen.fullsizeoutput_3cdf

Ab jetzt ist Gegenwind angesagt: Bis  Oehna sind es ca. 35 km. Um 12.20 Uhr rollen wir in den Innenhof des Landgasthofs Witte ein. Fast alle Plätze im Biergarten sind schon mit Randonneuren besetzt.

Spaghettigerichte duften auf den Tischen, Radler in Krügen stehen daneben. Die Kollegen sind bester Laune. Also Stempel rein ins Heft, Platz genommen und nach kurzem Blick in die Speisenkarte „Spaghetti olio e aglio“ bestellt. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wir plauschen mit den Sitzenden und den Kommenden und nach einer wahren Genuss-Pause fällt es schwer, wieder auf die Räder zu steigen und dann wieder einen Rhythmus zu finden. Der Wind frischt auf und bläst uns genau ins Gesicht. Etwas härtere Arbeit bis hin nach Wittenberg ist angesagt. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Auf der Elbebrücke passiert uns die Gruppe um Ingo, die uns kurz vorher überholt hatte. Tja, manchmal hat Ortskenntnis Vorteile, und ein paar vermiedene Ampeln hatten uns wieder nach vorn gebracht.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Eine wahre Lust sind die nächsten Kilometer bis hin ins Wörlitzer Gartenreich. Eigentlich wirkt die ganze Elbaue zu dieser Zeit wie ein riesiger Garten. Wolfgang und ich beschließen, den Kontrollstempel bei Streckenkilometer 184,3 mit einem großen Eis zu verquicken. Erst der Stempel, dann der eisige Genuss. OLYMPUS DIGITAL CAMERAWir stehen wieder zur Weiterfahrt bereit, als uns abermals die Truppe um Ingo passiert. Entweder haben sie eine längere Pause gemacht oder einen Umweg durch den Park gefahren. OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Dieses Mal sollte sich ihr kleiner Vorsprung zu einem 40 Minuten Nachteil für uns auswirken. Als wir an der Fähre in Coswig ankommen, sehen hinter  den  Voreilenden nur noch die Heckwelle. Dann beschließt der Fährmann, ganze 35 Minuten auf der anderen Seite zu pausieren.fullsizeoutput_3d28

Bei dieser Zwangspause können wir die überaus fein gebauten Meerglas-Räder von Tom bewundern. Bildschön und gleichsam zweckmäßig und zuverlässig.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAuf unserer Seite treffen Biker, Randonneure, Radtouristen und Autos reichlich ein. Eine richtige Schlange bildet sich am Anlegepunkt, so dass wir schon Bedenken haben, überhaupt beim nächsten Mal mit rüberzukommen.

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Das Warten auf die Fähre tut der Gruppe um Andy und Flo keinen Abbruch

Wir drängen also in die vordere Reihe und stehen irgendwann auf der Fähre. Nun aber dauert es abermals: Der Fährmann und sein Kassierer sorgen erst einmal dafür, dass kein Fährgast die Zeche prellt. Wir stehen und warten und warten. P4210308.jpgUnsere „gute Zeit“ bis hierher ist weggeschmolzen und wir finden uns in der nächsten Gruppe um Klaus und Phelim wieder. OLYMPUS DIGITAL CAMERAGut, dann haben wir Gesellschaft auf der nächsten Etappe durch den Fläming nach Dobbrikow. In Coswig füllen wir beim Netto-Markt unsere Trinkflaschen auf – ich gönne mir eine Stange Knoppers als Kalorienreserve.

Die Sonne beleuchtet wunderbar die herrliche Landschaft. Felder, Wälder, Alleen mit blühenden Bäumen. Das liebt der Randonneur!

In Dobbrikow holen wir uns gegen 19.45 Uhr den vorletzten Kontrollstempel und genießen ein kühles Radler für den Radler. Brevet 300 BB73Andy und die Kollegen haben großen Hunger und schaufeln eifrig Reibekuchen  mit Apfelkompott, Omelett und andere leckere Sachen in die gierigen Körper.

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natürlich nur mit Radler und Weizenbier ohne Alkohol,  und die Zigaretten sind nikotinfrei

Ab geht es auf die letzen 50 Kilometer, hinein in die Abenddämmerung. Die Singvögel starten ihr Konzert und untermalen die Strecke bis zum Rand von Berlin auf das Feinste.

Dann wieder Ampelhopping – Zehlendorfer Damm, Hohenzollerndamm, ein paarmal links und rechts, dann stehen wir wieder vor dem Amstelhouse. Der Kreis hat sich geschlossen für heute. OLYMPUS DIGITAL CAMERALetzter Stempel nach 22 Uhr, Durchschnitt in Bewegung knapp 26 km/h. P4210333.jpgFür Altrandonneure 65Plus gar nicht so übel, wie Wolfgang und ich feststellen. Die nächsten zwei Stunden genießen wir leckere Pilsner, Lasagne und Salat und den Erfahrungsaustausch mit den Kollegen. Kurz nach Mitternacht starte ich auf die 15 km-Etappe nach Hause durch die immer noch sehr lebendige Stadt. Ich fahre mit Warnweste und zwei hellen Rückleuchten. Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die manchmal gar nicht rücksichtsvollen Autofahrer Abstand halten.

Eine knappe Stunde später noch einen Schluck Rotwein zum Entspannen und dann kommt der tiefe Schlummer.

Heute waren das in Summe 345 Kilometer und bei diesem Wetter, der wunderbaren Frühlings-Landschaft und so vielen alten und jungen Kollegen war das die reine Freude!

 

P.S   Mit Dank für die Fotos von Rafal und Andy

HH-B – Zeitfahren at its best

14. August 2017, null Uhr. Ich sitze am Mac und versuche, mich für HH-B 2017 anzumelden. Es dauert, bis der Server von Audax-SH sich rührt. Nach 20 Minuten ist es vollbracht. Ich habe einen Startplatz.

Schon im Laufe des Montags ist HH-B ausgebucht. Wie heißt es doch: „The early bird catches the worm.“

Im Alt-Lohbrügger Hof haben Peter, Wolfgang und ich Zimmer gebucht und reisen am Freitag, dem 13. !! an. Per Flixbus, weil die Bahn schon alle Radstellplätze vergeben hatte. In drei Stunden von Alt-Tegel bis HH-ZOB. Der Busfahrer ist freundlich und humorvoll, flexibel auch noch, denn unsere Renner dürfen im Gepäckabteil sicher mitreisen. Und der Preis von 23 € für die Reise inklusive Radtransport ist unschlagbar.

Um kurz vor 20 Uhr stürzen wir uns in den Hamburger Stadtverkehr und rollen die 15 km bis Bergedorf. Auch sehr komfortabel, denn HH verfügt über breite Radwege, abseits der Hauptstraße. Ein Genuss! Auch im Hotel hat man ein Herz für Radfahrer – die Renner können wir sicher im Heizungskeller abstellen. Vorwärmen für das Zeitfahren am kommenden Tag. Unsere Startzeit um 7.40 Uhr erlaubt uns, um 6 Uhr ein komfortables Frühstück im Hotel einzunehmen: Müsli, Rührei, Marmeladenbrötchen. Die Randonneure stärken sich. Dann erstmal zum Warmrollen  8 km bis zum Startort Vierländereck in HH-Curslack. Milde Lüfte umspielen die gestählten Körper. Das Hotel Vierländereck ist im Vergleich zum bisherigen Startort am alten Fährhaus ein Komforttempel.

Start Vierländerhaus
Anstehen für die Startunterlagen

Das Team um Burkhard Sielaff und Michael Nagel hat eine perfekte Organisation auf die Beine gestellt. Wir bekommen unsere Teilnehmerschilder und eine Startkarte, die eingescannt wird.

Am Starttisch
Foto von Audax-SH

Hightech-Startzeitnahme per Handyscan. Um 7.40 Uhr gehen wir auf Kurs.

16 Grad warme Luft bringt der spürbare Südwestwind ins Land. Sehr angenehm. Wir ziehen die Jacken aus und fahren in Trikot plus Weste los. Einrollen, langsam beginnen. So haben wir uns das vorgenommen. Schließlich sind wir Oldies mit Durchschnittsalter 65. Nein, wir sind nicht geplagt vom Ehrgeiz, schnell zu sein, wir fahren nie schneller, als wir eigentlich sollen oder gar können. Uns reizt keine schnelle Gruppe, die vorbeirauscht –  Lüge! Es kitzelt natürlich doch, und ein paar km/h schneller als sonst sind wir schon unterwegs. Wolfgang wird anfangs von fiesem Asthmahusten heimgesucht. Wir sorgen uns schon, als er dann doch immer besser in Fahrt kommt. Gut so! Jetzt rollt es. Rüber über die unendlich lange Brücke bei Geesthacht, auf die Niedersachsener Seite. Gefühlt auf jedem dritten Bauernhof weht die Flagge des Landes. Da war doch was: Ja, es wird  am Sonntag gewählt.

Der Himmel gibt sich zunächst grau an diesem Morgen. Wildgänse schnattern über uns , Starenschwärme rauschen durch die Lüfte. Im Fachwerkstädtchen Bleckede locken die Marktstände zum zweiten Frühstück. Manche lassen sich bremsen und halten an beim Bäcker.

Wir freuen uns am gleichmäßigen Rollieren. Schön flach hier – aber es bleibt nicht flach. Die erste kleine Prüfung wartet auf dem rumpligen Waldweg bei Alt Garge. Ich habe den Track gebaut und übernehme die Verantwortung für das kleine Ungemach. Links und rechts liegen vom Sturm entwurzelte und geknickte Bäume. Unter einer flachgelegten Buche müssen wir hindurch und schieben. Gönnerisch halten wir einer herankommenden Gruppe das Absperrband hoch.

Von Neu-Darchau bis Hitzacker gibt es eine kurze und eine bequeme Trackvariante. Heute locke ich, überraschend für Wolfgang und Peter, die beiden  auf die Elbuferstraße. Kürzer, aber dafür mit einigen fiesen Rampen bestückt. 13 Steigungsprozente am Elberand. Wer hätte das gedacht?! Wir keuchen uns die Wellen hinauf, rauschen wieder ins Wellental und das Ganze noch ein paarmal. DSCN2252

Auf der Kuppe nach  einem kurzen 10-Prozenter hat Harald Legner  einen genauso unvermuteten wie schnuckeligen Versorgungsstand aufgebaut:P1090210

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Hamsterbacke – Gummibären geben Kraft

Wir keuchen uns aus und genießen Radler, Gummibären und Knabberzeugs. Harald spricht uns Mut zu: „Ihr seht doch noch gar nicht so kaputt aus.“ fullsizeoutput_3742

Ab geht es in die nächste Bodensenke mit 13 Prozent Gefälle – 70 km/h. Das fetzt.

Bis nach Hitzacker noch ein paar kleine Wellen, die wir mit Schwung nehmen. Dann entscheiden wir uns für den Weg über Dannenberg und die Bundesstraße entlang zur Dömitzer Brücke. Da ist zwar ordentlich Verkehr, aber dafür rollt es  gut.

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Am Ende der Brückenabfahrt stehen schon die Kollegen vom Audax und weisen uns auf den Parkplatz ein. 95 Kilometer liegen hinter uns. Karte raus zum Scan und dann  ab zur Kaffeetheke.

Wolfgang bemüht sich, festzustellen, dass diese Veranstaltung ein Zeitfahren, keine Kaffeefahrt ist. O.k., ein Schnitt von 28 km/h bis hierher geht ganz in Ordnung. Der Aufwand, den das Team um Burkhard Sielaff treibt, um uns zu umsorgen, ist beispielhaft. Kaffee, Brötchen, Bananen, Iso-Getränke, Zuspruch. Wunderbar, wie ihr das macht! DANKE!

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Unser Berliner Brevet-Strecken-Designer Ralf hat sein kampferprobtes SOMA auf dem Pflaster abgelegt.

Mit dem SOMA hat er im Sommer schon reichlich Höhen- und Streckenkilometer bei der Torino-Nice-Rally gesammelt. Sehr lesenswert: Ralphs Torino-Nice-Bericht

Das Brötchen noch im Mund, starten wir gen Lenzen an der Elbe. Flott geht es weiter mit Schiebewind. Selten zeigt der Tacho weniger als 30 km/h. Das motiviert. Wenn nicht die schnellen, jungen Wilden wären, die an uns im Team und alleine vorbeirauschen. GeraldIch erkenne Gerald,  eine halbe Stunde später als wir gestartet und auf seinem Bottecchia Chrono pfeilschnell unterwegs.  Sagenhafte 37,5 km/h netto wird er im Ziel verbuchen können.

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Wolfgang schießt ein Foto mit mir und diesem herrlichen Longhorn-Rind und seinem Kälbchen. In der Nähe von Lenzen steht eine ganze Herde auf einer riesigen Weide. Herzerwärmend und beeindruckend.

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Wittenberge von der bescheidenen Seite

Wolfgang und Peter verfluchen bei zwei, drei Gravel-Abschnitten meine Streckenführung. Kurz, aber nicht gleichbedeutend mit schnell. Und die beiden wollen SCHNELL nach Berlin kommen. Ich füge mich und mache keine weiteren Experimente. Stattdessen fabuliere ich von einer wunderbaren Pause mit Kuchen und  Kaffee. Es kommt aber in der brandenburgischen Diaspora weder eine Bäckerei noch gar ein Café vorbei. Erst in Rhinow, mit Blick auf die Hügel vom alten Lilienthal, entdecken wir einen „NP-Discount-Markt“ . Wir biegen auf den Parkplatz ein und treffen auf eine Gruppe Berliner Triathleten, die sich auch hier mit Getränken eindecken. Ich kaufe ein Paket Butterwaffeln und eine Flasche Apfelsaft. Das sollte reichen für die letzten 75 Kilometer. Peter treibt uns zum Aufsteigen, als die Triathletentruppe sich zum Aufbruch bereit macht. Eine Minute später befinden wir uns in munterer Fahrt. 30 km/h plus x. Das geht so eine ganze Weile, lecker gewürzt mit anregenden Gesprächen. Wenn die nicht auch ab und an unsere Führungsarbeit erwartet hätten … 25 Kilometer halten wir munter mit, dann schere ich aus und entscheide mich für eine weniger schweißtreibende Gangart. Peter wäre gern noch im D-Zug weitergefahren. Ich habe aber den Verdacht, dass auch er letztlich ganz dankbar für die Temporeduzierung ist.

N9EV7Mtm2joH6I5aREYPk8s5dLDEej4D7zoy5BRxPlY-96x128 In Wustermark bremst uns dann unser alter Randonneursfreund Peter aus Spandau, der uns ein wenig entgegengekommen ist. Foto, und weiter geht die Reise. Er bleibt im Bereich des Outlet-Centers ohne für uns erkennbaren Grund zurück. Ein Kollege, der mit einem wunderhübschen türkisfarbenen DF-Velomobil wie wir auf dem B5-Radweg fährt – offensichtlich mittlerweile total leergefahren und platt, ist in eine scharfen 180-Grad-Kehre umgekippt und benötigt Hilfe. Peter hilft und lotst den Velomobilisten aus Schweden sicher bis zum Ziel.

Gegen 18.35 Uhr rollen wir auf dem Hof des Wassersportheims in Alt-Gatow ein. 10:55 Stunden brutto. Schön, dass auch nach uns noch eine ganze Reihe Teilnehmer einrollen. Ganz hintendran waren wir also nicht. Auch die Triathleten kommen nach uns ins Ziel. Ein Defekt in der Nähe des alten Olympischen Dorfs hatte sie Zeit gekostet.P1090240

Die Velomobil-Armada, die so eindrucksvoll und schnell unterwegs war, ruht schon eine Weile im Ziel aus.

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Ernestine von den Cycology-Triathleten freut sich über ihre Finisher-Medaille.

Wir freuen uns auch und erholen uns bei Bratwurst, Bier, Linsensuppe und bei Gesprächen mit alten und neuen HH-B-Fahrern.

Es war eine Lust, an diesem Samstag 275 Kilometer durch die milde Luft zu rollen. Gemeinsam mit mehr oder  weniger ehrgeizigen, mit mehr oder weniger schnellen  Sportlern.

Viele zufriedene Gesichter, lachen, abklatschen, umarmen. Freude an der eigenen Leistung. Das macht es aus. So soll es sein!

 

P.S:  Ganz herzlichen Dank an das Team vom Audax-Club Schleswig-Holstein. Ihr seid so nah am Teilnehmer, so schnell, so verbindlich, so freundlich und kompetent. Alle Achtung!

 

 

Darß-Brevet 600 km – Halbzeitimpressionen

Peter und ich sind dieses Mal nur Zuschauer beim 600-km-Brevet. Peter hat „Knie“ und ich habe „Wade“. Also haben wir uns schnell entschlossen, den tüchtigen Randonneuren bei Halbzeit der Strecke in Prerow auf dem Darß ein wenig Support zu bieten.

40 Liter Trinkwasser, 60 Knackwürste, reichlich Kartoffelsalat, selbstgebackene Heidelbeermuffins, Gummibären … und eine von unserem Lieblingsschrauber Basim ( Fahrradladen Potsdam Babelsberg) gesponserte Ersatzteil- Riegel- Isopulver- und Gelkiste.

Mit Peters Oldie-Camper-Bulli machen wir uns um 14 Uhr auf den Weg nach Norden. Der kleine Diesel brummt genauso vernehmlich wie Vertrauen erweckend. Mehr als 100 km/h sind kaum drin. Der böige Nordwest rüttelt kräftig am hohen Westfalia-Aufbau. Bei Krakow stehen wir 30 Minuten im Stau vor einer Brückenbaustelle. Wir hatten geplant, spätestens um 17 Uhr am Ostrand von Prerow Position zu beziehen. Das wird nun nichts mehr. Peter flucht heftig, als uns schon zwischen Born und Wiek die ganz Schnellen entgegenkommen. Die machen eh keine Pausen, so wie die unterwegs sind, tröste ich meinen unzufriedenen Fahrer. Ich erkenne Jens Burger, Thomas Bockshecker und Stefan Meisner. 17.15 Uhr ist es.. Die haben tatsächlich bis hierher einen Schnitt von über 30 km/h trotz kräftigem Gegenwind hingelegt. Alle Achtung!

Ein Viertelstunde später stehen wir auf dem  Parkplatz an der lang geradeaus am Deich entlangführenden Straße. Als wir unsere Vorräte auspacken, taucht schon die nächste Gruppe auf. Peter wirft flugs den Herd an und die Würste in den Topf.

Um 17.45 Uhr rollen die Kollegen runter vom Deich und vor unsere Füße:

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Rafal, der „Viertelvorzwölfte“

P1100173P1100161P1100159P1100182Stempel ins Brevet-Heft, Wasser in die Flaschen, Pulver rein, Wurst verschlingen, schnell ´ne WhatsApp an die Freunde loslassen, und schon scharren die ersten wieder mit den Hufen. Um 18.10 Uhr gehen die Jungs auf die zweite Halbetappe – nochmal 300 Kilometer.

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Nils rollt ein, als die Achtergruppe startet. Er hatte kurz abreißen lassen und danach keine Chance mehr gehabt, bei dem starken Gegenwind wieder heranzukommen. So frisch, wie er aussieht, kann er weiter gut alleine fighten.

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18.40 Uhr – Peter setzt den Stempel ins Heftchen

Thomas, unser Kilometerfresser aus Eberswalde, und Clemens liefern sich einen kleinen Spurt: Clemens auf dem Deich, Thomas auf der Straße.

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Inzwischen habe ich es auch geschafft, die zwei Hinweistrikots windfest und halbwegs stabil zwischen Bulli und Zaun zu befestigen. Schließlich soll uns jeder rechtzeitig erkennen können.

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Haribo macht Kinder froh – und Randonneure ebenso

Um Punkt 19 Uhr erkennt Peter unseren Schweizer Randonneur Ueli Bächli auf dem Deichweg. Am Morgen vor dem Start hatte er schon einen kleinen Plausch mit ihm gehalten. Wir feuern ihn auf den letzten Metern bis zum Abzweig an… Beifallsbekundungen und begeistertes Publikum sind dem Ueli nicht fremd. Schließlich hat er als Bobfahrer in den 70er und 80er Jahren WM- und Olympiamedaillen reichlich gesammelt.

Bravo Ueli, und lass dir die Wurst schmecken!

Um 19.20 Uhr kommen Wolf Beisswanger und zwei junge Randonneure heran.DSC_0022DSC_0023DSC_0028DSC_0029

Randonneure können auch stylish aussehen, wie hier unter Beweis gestellt ist.

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Zehn Minuten später kurbelt Matthias auf seinem Titan-Randonneur heran. Offensichtlich auch bestens gelaunt:

Unser Organisator Ingo folgt auf dem Fuße und gibt im warmen Abendlicht ein wunderbares Fotomotiv ab.DSC_0042DSC_0043DSC_0048

Er führt im hinteren Trinkflaschenhalter eine gekühlte Flasche alkoholfreies Bier mit – was für ein Luxus! DSC_0051DSC_0056

Dann nähert sich wieder eine ganze Gruppe, die sich im Gegenwind zusammengefunden hat. DSC_0079DSC_0087DSC_0073

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Saschas Banana-Trikot-Taschen bleiben wohlgefüllt mit den gesunden Energiebomben.

Und ich freue mich, endlich Eva ( Takeshi),  die wunderbare Blogberichte über das Radfahren schreibt, persönlich in Empfang zu nehmen.

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Eine illustrer Gegenwindvierer rollt hier ein. Gut gelaunt und hungrig.

 

In der nächsten halben Stunde wirkt unser „Service Point“ wie ein lustiges Radfahrerpicknick am Ostseerand. Als wir neugierigen Strandwanderern erklären, dass die „Picknicker“ schon 300 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt haben und nochmal 300 Kilometer wegarbeiten werden, ernten wir ungläubiges Staunen.

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Ingo und Eva gehen wieder auf die Strecke.

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Powerstrümpfe machen den Liegeradler schnell
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Manuel würdigt uns keines Blickes
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Matthias rollt ein

Nach einer halben Stunde Essen, Trinken und Plauschen verlässt uns diese Wohlfühltruppe leider wieder und startet in die Nacht. Die nächste Kontrolle wartet in Teterow, 100 Kilometer weiter in den sanften Hügeln von Meck-Pomm.

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Jung-Randonneur Ole hat sich auch herangekämpft. Ein Reifenplatzer und dann viele Kilometer allein im Gegenwind, das zehrt!

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Team mit Strahlkraft!

Die beiden wollen bei Freunden in Zingst eine Luxuspause einlegen und dann ausgeruht das Feld von hinten aufrollen…

Immer noch sind ca. 15 Teilnehmer auf der Strecke zu uns hin, und es wird langsam dämmrig und deutlich kühler. DSC_0138

So sieht ein gut gelaunter Organisator aus: Klaus lässt es heute gemütlich angehen und genießt Land und Leute. Souverän halt.

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Die Sonne ist unterm Horizont, also Warnwesten überziehen und Beleuchtung anzünden. So macht dann die Fahrt durch die Nacht Freude.

Um kurz nach 22 Uhr begrüßen wir die beiden Unverwüstlichen, die beiden, die nur im Team auftreten und immer durchhalten. Susanne und Peter. Chapeau!

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Kommt gut durch die Nacht! Und alle anderen vor euch auch, und auch die hoffentlich noch guter Dinge Kurbelnden, die noch nicht bei Halbzeit dieses 600ers angekommen sind.

Peter und ich packen unsere Siebensachen und sind gegen 22.30 Uhr startfertig – da kommt noch unser „Ruderfrank“ um die Ecke gerollt. Unsere Wassertanks sind leer, nur ein paar Riegel und Gels können wir noch bieten. Sorry, Frank.

Es hat uns Freude gemacht heute an der Strecke – mal nicht selber auf dem Rad. Ihr seid schon eine klasse Truppe!

 

P.S  Wer ein Foto von sich in Originalauflösung haben möchte – bitte E-Mail an mich, „Dietmar.Clever@online.de“, dann bringe ich das auf den Weg.

Und wie es Eva – Takeshi ergangen ist, findet ihr hier: 600er Brevet: Mit den Berliner Randonneuren LESEN!