Die Dutch-Capitals-Tour, 1000 Kilometer Gegenwind, Teil 2

Fünf Stunden Tiefschlaf liegen hinter mir, ein Snickers aus meinen Vorräten muss als Frühstück reichen. Die Trinkflaschen sind gefüllt – die Powerbar-Elektrolyttabletten lösen sich gut im Wasser auf, das Gesöff – Mango – schmeckt mir auch am dritten Tag noch gut. Drei von diesen 10er Röhrchen habe ich mitgenommen. Eine gute Wahl, denn Wasser bekommt man überall zum Mixen. Der Wettergott meint es immer noch gut mit uns, frischer Wind aus WNW und Sonne. Bis zur Kontrolle Emmen sind es ca. 20 Kilometer. An der Straße sind große Umleitungsschilder aufgebaut. Keine Durchfahrt nach Emmen, auch für Radfahrer nicht?! Von solchen Hinweisen lasse ich mich schon lange nicht mehr beeindrucken. Notfalls nehme ich mein Endurace auf die Schulter und klettere über Barrieren. Ausnahmsweise habe ich mein Oregon auf „Routing Fahrrad“ eingestellt bis zum Kontrollpunkt. In Holland und ausgerüstet mit der „Open-Fiets-Map“ habe ich innerhalb von Orten beste Erfahrungen gemacht. So auch diesmal. Auf schmalen Wegen lotst mich das System direkt nach Emmen, km 936. Nix mit Umleitung. Die meisten Kollegen sind hier 10 km länger unterwegs. So treffe ich an der Tanke wieder einmal William Dickey, der am Vorabend gesehen hatte, dass ich im Best Western verschwand – dann ist er auch noch reingeschlüpft.

Der nächste Wegpunkt ist nur 39 Kilometer entfernt: Assen, die Hauptstadt der Provinz Drente. Auch auf diesem Abschnitt Schilder mit „Umleitung – auch für Fietser keine Durchfahrt“ Doch! Eine kurze Tragepassage, dann geht es auf frischem Asphalt weiter.P1060378P1060379

„Bescheidene Kirchen, bescheidene Häuschen“ – nein: auf dem Weg nach Groningen gibt es wahre Pracht zu sehen. Landhaus reiht sich an Landhaus. Im Vergleich zur eher kargen Provinz Limburg strahlt hier alte, reiche Pracht.

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Groningen, 1001 Kilometer! Diese pschychologische Mauer ist geknackt.

Ein Prachtjuwel mit gold’nem Rand,
ist Groningen, Stadt und Ommeland;
Ein Prachtjuwel mit gold’nem Rand,
ist Groningen, Stadt und Ommeland!

Dort lebt solide Gediegenheit,
der Wille, hart wie Stahl,
dort fühlt das Herz, was die Zunge spricht,
mit direktem, schlichtem Wort.

Dort tost die See, dort heult der Wind, …

So ist es im Groningen-Lied zu lesen. „Dort heult der Wind“ passt besonders gut auf den heutigen Tag. Der Track führt ab jetzt nach Westen – hin nach Leeuwarden. Keine schützenden Wälder, freies Weideland, immer den Pustewind auf der Nase. Und das 70 Kilometer weit. Diese Kilometer werden elend zäh. Kaum einmal zeigt der Tacho mehr als 20 km/h, meistens pendelt die Geschwindigkeit um 17-18km/h. Ich beschließe, damit zufrieden zu sein, mehr geht halt nicht. Und auch so werde ich die nächste Kontrolle erreichen. Mit dieser Einstellung fällt das Langsamfahren leichter.

Zwei Velomobile arbeiten sich langsam an mir vorbei. Sie spüren den Gegenwind kaum. Aber die Piloten der Geräte haben auch nicht mehr viel Power in den Beinen. Bei ihnen ist der unvermeidbare William D.

Matthias hat mehr als 40 Kilometer Vorsprung – auch er hat sich eine Schlafpause von sieben Stunden gegönnt. Er ist bereits in Leeuwarden und auf dem Weg zum Verbindungsdeich. „Wir sehen uns in Hoorn“, schreibt er per sms. So optimistisch bin ich nicht. Mit seinem Lieger hat er doch deutliche Vorteile beim Fahren gegen den Wind.

Leeuwarden, km 1069, Tanke, Sandwich essen, Kaffee trinken.P1060390

Ed unterhält sich mit einem Kollegen, der sein eigenes Servicefahrzeug dabei hat. An den offiziellen Kontrollen ist Unterstützung zulässig. Aber trotzdem nicht so gern gesehen. Ich kann auch profitieren, denn „die Dame des Hauses“ spendiert mir eine frische Füllung meiner Trinkflaschen. 20 Kilometer weiter, in Harlingen, prangt ein riesiges, gelbes „M“, dem ich nicht widerstehen kann. Vorteil von Fastfood ist, dass es eben „fast“ geht. Und so was schätzt der Randonneur. Genauso wie den reichen Kaloriengehalt der Mahlzeiten und die gute Verträglichkeit von Cola bei Belastungen. Bei Langstreckenfahrten mit extrem hohem Energieverbrauch bin ich ausnahmsweise regelmäßiger Gast bei „McD“.

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Im kleinen Örtchen Zurich ( witzigerweise steht an der Straße auch ein „Bankhaus Zurich“), beginnt der Abschlussdeich. 32 Kilometer lang, 90 Meter breit, eröffnet im Jahre 1932. Immer geradeaus, immer gegen den Wind, der passenderweise von West jetzt auf Südwest dreht. Wieder genau von vorn also. Rechts Wasser, links Wasser, und das zwei Stunden lang.P1060398P1060399

Auf der Hälfte der Distanz klettere ich samt Endurace auf die Deichkrone. Ein Foto muss sein.

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Ansonsten ist dieser Abschnitt eher langweilig, dafür umso kraftraubender.

Am Denkmal für den Ingenieur Lely vorbei wieder ans Festland. Hier knickt der Kurs nach Süden, und die Gegenwindpein wird erträglicher. dafür warten zig Kilometer Rau-Asphalt – immer geradeaus.P1060411

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In Hoorn, km 1177, wartet die nächste Kontrolle mit Schlafmöglichkeit. Gegen 20 Uhr treffe ich ein und gönne mir erst einmal ein Festmahl aus Pasta und Tomatensuppe. Das Team ist auch hier umwerfend freundlich und hilfsbereit. Matthias treffe ich hier nicht mehr an, er ist schon zwei Stunden früher wieder auf Strecke gegangen. Er will und muss nicht schlafen. Ich hingegen bin froh, mich eine Treppe höher in einen großen „Matratzenraum“ verziehen zu können. Drei bis vier Stunden will ich ruhen. Peter arbeitet sich derweil noch auf dem Abschlussdeich ab. Nachdem ich aber auf einer Riesenluftmatratze, groß wie ein Schlauchboot, keinen Schlaf finde, klettere ich gegen Mitternacht wieder nach unten und packe meine Sachen. Draußen hat es begonnen zu schütten. Erfreulicherweise sagt das Wetterradar, dass das Regengebiet vorbeigezogen sei. Trotzdem Regenklamotten an, schließlich fahre ich in der Nacht. Und was gegen Nässe schützt, schützt auch gegen Kühle.

Für die folgende Nachtfahrt ist der Nässeschutz äußerst gefragt!

Mehr darüber in Teil 3

2 Antworten auf “Die Dutch-Capitals-Tour, 1000 Kilometer Gegenwind, Teil 2”

  1. Bisher ein toller Bericht. Macht Lust auf mehr „Lesen“ und mehr „Fahrradfahren“

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